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Es ist an der Zeit, das System der Mehrfachversicherung kritisch zu hinterfragen.
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In den vergangenen 20 Jahren hat sich die Arbeitswelt stark verändert - mit der Folge, dass immer mehr Personen mehrfachversichert sind, weil sie sowohl selbständig als auch angestellt sind. Von den 420.000 Selbständigen in Österreich verfolgt jeder Siebente mehr als nur eine Erwerbstätigkeit, in Wien jeder Fünfte. Was bleibt, ist das Problem der Mehrfachversicherung. Angestellte mit Gewerbeschein haben sowohl eine Pflichtversicherung in der Gebietskrankenkasse als auch in der Sozialversicherungsanstalt der Gewerblichen Wirtschaft (SVA) und somit mehrfache Vorschreibungen für Krankenversicherungs- und Pensionsbeiträge.
Neben dem administrativen Aufwand für die Versicherten geht den Betroffenen dadurch auch häufig wegen Überzahlungen Geld verloren. Denn bisher wurden nur auf Antrag Beitragszahlungen über die Höchstbeitragsgrundlage hinaus refundiert. Kein Wunder, dass die Mehrfachversicherungen für viele Pflichtversicherte einfach nicht nachvollziehbar sind. Sie haben den Eindruck, mehrfach zahlen zu müssen, was sie letztlich aufgrund oftmals verabsäumter Refundierungsanträge auch tun.
Die Pflichtversicherung wird zur Belastung, der Wert der sozialen Absicherung und die Leistungen des Sozialstaates werden zum Boomerang. Aus unserer Sicht ein Zustand, der rasch reformiert werden muss, weil er einer serviceorientierten und versichertenfreundlichen Abwicklung diametral widerspricht.
Es ist daher an der Zeit, das System der Mehrfachversicherung kritisch zu hinterfragen und der aktuellen Lebenswelt der Versicherten anzupassen. Wir haben daher einen Vorschlag ausgearbeitet, der zu mehr Akzeptanz durch die Versicherten, Transparenz und vor allem Wettbewerb zwischen den öffentlichen Sozialversicherungsträgern führt. Im Kern geht es darum, an die Stelle der Pflichtversicherung eine Versicherungspflicht zu stellen. Kurz gesagt: Der Versicherte soll sich seinen Sozialversicherungsträger - also Gebietskrankenkasse oder SVA - selbst aussuchen dürfen.
In der Praxis sieht das neue Modell so aus: Entscheidet sich ein Mehrfachversicherter zum Beispiel für die "Leadversicherung" SVA, sollen ausschließlich die von der SVA vorgesehenen Leistungen zur Anwendung kommen. Vice versa gilt das auch bei der Entscheidung für die Gebietskrankenkasse der Angestellten. Jedes Leistungssystem hat für den Versicherten Vor- und Nachteile. Hier Selbstbehalte, dort mehr Wartezeiten. Unterschiede bei den Kostenrückerstattungen, etwa bei den Heilbehelfen oder beim Krankengeld und so weiter. Der Versicherte entscheidet nun selbst, welchen Leistungskatalog er für jeweils besser hält. In unserem Modell sollen die mehrfachversicherten Unternehmer in Zukunft nur noch mit einer Sozialversicherung ihre Beitragsabrechnungen abwickeln - nicht mit mehreren.
Versicherungspflicht statt Pflichtversicherung wäre ein mutiger und wichtiger Schritt hin zu einer kundenfreundlicheren Sozialversicherung, die sowohl den Versicherten als auch den Trägern Vorteile brächte.