)
10.000 Polizisten beschützen Benedikt. | Aufregung hat sich gelegt. | Ankara. Murad kann die ganze Aufregung nicht nachvollziehen. "Der Papst kommt in die Türkei. Na und?" Es sei doch nicht das erste Mal, dass ein katholisches Kirchenoberhaupt in das Land komme. Der 33-jährige Lkw-Fahrer, der seit drei Jahren in Österreich arbeitet, wird den viertägigen Besuch von Benedikt XVI. kaum mitverfolgen. Er hat nämlich andere Sorgen: Seine Großmutter ist gestorben, zum Begräbnis ist er mit seiner Familie nach Ankara gekommen.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 18 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Ähnlich wie Murad sehen viele Türken den Papst-Besuch: Sie begegnen ihm meist mit Gleichgültigkeit. Unvergessen ist die Regensburger Rede jedoch nicht, in der Benedikt XVI. vor zwei Monaten einen byzantinischen Kaiser zitierte. Kritiker fanden, der Papst unterstelle dem Islam einen Hang zu Gewalt und Irrationalität. "Er hat unseren Propheten Mohammed beleidigt. Das hätte er nicht tun sollen", meint auch Murad.
Dennoch ist er sicher, dass das Kirchenoberhaupt nichts zu befürchten habe. Immerhin beschützen ihn mehr Polizisten als den US-Präsidenten George W. Bush bei dessen Visite vor zwei Jahren. Mehr als 10.000 Sicherheitskräfte sollen über den Papst wachen, dessen Flugzeug wird bei der Landung von Kampfjets geleitet. Und auch eine islamistische Partei, die am Wochenende in Istanbul zu Protesten gegen den Besuch aufgerufen hatte, konnte nicht so viele Kritiker mobilisieren, wie sie angekündigt hatte. Von hunderttausenden Menschen ist sie ausgegangen, gekommen sind an die 20.000.
Erdogan empfängt doch
Hunderttausendfache Begeisterung, wie in anderen Ländern, wird dem Papst allerdings nicht entgegenschlagen. Auf dem Flughafen Esenboga, in Ankara, wo Benedikt XVI. am heutigen Dienstag landet, ist auch wenige Stunden davor keine Hektik zu spüren. Ein paar Arbeiter bringen die Grünflächen in Ordnung, einer schlägt ein Rad. Das neue Flughafengebäude muss nicht auf Hochglanz gebracht werden. Willkommen-Plakate sind in der ganzen Stadt nicht zu sehen. Das Zentrum wird teilweise abgesperrt.
Auf dem Flughafen nimmt Benedikt XVI. auch seinen ersten Termin wahr. Er wird - was tagelang nicht sicher war - nun doch mit dem türkischen Premier Recep Tayyip Erdogan zusammentreffen. Für 15 Minuten, bevor der Ministerpräsident zum Nato-Gipfel in Lettland abfliegt. Danach wird der Papst mit seiner Eskorte ins Stadtzentrum fahren, vorbei an den zahlreichen Moscheen mit ihren silbernen Kuppeln und ziegelfarbenen Minaretten.
Fast 99 Prozent der Türken sind Muslime, Christen bilden lediglich 0,2 Prozent der Bevölkerung. In Ankara wird Benedikt XVI. das Atatürk-Mausoleum besuchen sowie Staatspräsident Ahmet Necdet Sezer und den Vorsitzenden der Regierungsbehörde für religiöse Angelegenheiten, Ali Bardakoglu, treffen. Letzterer machte bereits klar, dass "dieser Besuch nicht die Antwort auf alle Fragen sein wird". Doch sei es ein positiver Schritt zwischen den verschiedenen Religionen und Kulturen.
Um Annäherung bemüht war Benedikt XVI. bereits am Sonntag, beim Angelus-Gebet in Rom. Er sandte "herzliche Grüße" an das türkische Volk und versicherte seine "aufrichtige Freundschaft" - was in der türkischen Presse auch gewürdigt wurde. Gleichzeitig signalisierte die vatikanische Nummer zwei, Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone, Unterstützung für einen EU-Beitritt: "Ich hoffe, dass die Türkei die Bedingungen zum Beitritt zur EU und zur Integration in Europa erfüllen kann", sagte Bertone, fügte allerdings hinzu, dies sei eine politische Entscheidung.
Als weiteres positives Signal wird die Ankündigung gewertet, dass Benedikt XVI. am Donnerstag in Istanbul gleich nach der einst christlichen Kathedrale Hagia Sophia die Blaue Moschee aufsuchen möchte. Er ist damit - nach seinem Vorgänger Johannes Paul II. - der zweite Papst, der eine Moschee besucht.