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Die Türkei und Israel haben nach sechs Jahren ihr diplomatisches Zerwürfnis beendet.
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Tel Aviv. Nach sechs Jahren Eiszeit haben die Türkei und Israel ihr Verhältnis normalisiert. Heute, Dienstag, soll das Abkommen zwischen den zwei Staaten unterzeichnet werden, das in den letzten zwei Jahren vor allem unter Mediation der USA zustande gekommen ist.
Beide Staaten mussten dabei Kompromisse eingehen: Die Forderung des israelischen Premiers Benjamin Netanjahu, die Türkei solle das Repräsentationsbüro der Hamas in Istanbul schließen und damit die Palästinenserorganisation, die im Gazastreifen regiert, quasi für illegal erklären, wird nur abgeschwächt erfüllt: Ankara wird die Hamas schärfer überwachen und sowohl das Fundraising wie auch die Planung von Terroraktivitäten von Istanbul aus eindämmen. Israel konnte auf der anderen Seite den türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan davon abbringen, auf einer kompletten Aufhebung der Gaza-Blockade zu beharren. Ankara darf in Gaza dafür ein Spital, ein Elektrizitätswerk und eine Entsalzungsanlage bauen. Außerdem kann die Türkei unbegrenzt humanitäre Hilfsmittel in das schmale Küstengebiet schicken, sofern Israel die Materialien vorab kontrolliert.
Damit beenden die beiden Länder eine diplomatische Krise, die im Mai 2010 durch die Enterung des unter türkischer Flagge segelnden Schiffs "Mavi Marmara" ausgelöst wurde: Acht türkische Staatsangehörige und ein türkischstämmiger US-Bürger der Schiffsbesatzung starben im Kugelhagel israelischer Truppen. Das Schiff war Teil einer Flotte, die die Gaza-Blockade durchbrechen und Hilfsmittel dorthin bringen wollte. Israel verpflichtet sich im Abkommen zu einer Entschädigungszahlung von 20 Millionen Dollar an die Hinterbliebenen, im Gegenzug garantiert die Türkei, von einer Strafverfolgung der beteiligten Soldaten vor internationalen Gerichten abzusehen.
Für beide Seiten kommt die Versöhnung zu einem günstigen Zeitpunkt: Netanjahu braucht stabile Beziehungen zu seinen Nachbarn, um bei zukünftigen Verhandlungen mit den Palästinensern auf deren Rückenwind zählen zu können. Erdogan braucht hingegen dringend Schützenhilfe für die Abwehr von Raketen aus dem bürgerkriegsversehrten Syrien: Nachdem die türkische Armee im November 2015 einen russischen Kampfjet abschoss, der aus Syrien in den türkischen Luftraum eingedrungen war, hat Russland den syrischen Luftraum für türkische Kampfjets gesperrt. Über ausreichende Boden-Abwehrsysteme gegen Raketen von kurdischen Kämpfern oder dem IS von syrischem Boden aus verfügt die Türkei nicht. Israel soll Erdogan gleich doppelt aus dem Zerwürfnis mit Russland helfen: Einerseits soll der Abwehrschild "Iron Dome", der Israel in den vergangenen Jahren erfolgreich vor Raketen aus dem Gazastreifen schützte, auch in der Türkei zum Einsatz kommen. Andererseits ist die Türkei auf neue Erdgasquellen angewiesen. Bis 2015 bezog das Land über die Hälfte seiner Gasimporte von Russland, diese Lieferungen wurden jedoch eingestellt. Israel, das dank seiner Erdgasfelder im östlichen Mittelmeer über große Reserven verfügt, soll diese Lücke nun schließen.