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Die Intelligenzia ist der Faymann-SPÖ ziemlich gram. Der Kanzler höchst selbst will das heute Abend ändern.
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Kreisky-Nostalgiker haben dieser Tage wieder einmal Hochkonjunktur. Obwohl ja eigentlich auch sonst kaum eine Woche vergeht, in der nicht mit Wehmut der vergangenen Zeiten des sozialdemokratischen Sonnenkönigs gedacht wird. Doch derzeit lässt man die guten alten Zeiten besonders gerne und ausführlich hochleben, jährte sich doch soeben zum 40. Mal der Wahlsieg Bruno Kreiskys aus dem Jahre 1970.
Bei der Erinnerung an diese goldenen Zeiten wird sogar jenen warm ums Herz, die etwas später gegen Zwentendorf zu Felde gezogen sind. Die Sache mit der FPÖ und der Aufarbeitung der NS-Vergangenheit hat man damals schließlich noch nicht so eng gesehen.
Dessen ungeachtet gelang dem großbürgerlichen Sozialisten Kreisky, die notorisch grantelnden heimischen Intellektuellen in seinen Bann zu ziehen und an die Sozialdemokratie zu binden.
Seither haben sie dieser, in guten wie in schlechten Tagen, die Treue gehalten. Mit der Übernahme der Kanzlerschaft Werner Faymanns hat die Langzeitehe nun aber doch erhebliche Risse bekommen. Sogar von Scheidung wird gemunkelt - angeblich wegen unüberbrückbarer Differenzen.

André Heller artikulierte den linksliberalen Intellektuellen-Frust mit der "Krone"- und Fellner-affinen Faymann-SPÖ mit der ihm eigenen vernichtenden Eloquenz. Und verkündigte mit großer Geste das Ende des von Kreisky eingeleiteten "Stücks gemeinsamen Weges".
Nun ist es ja in Österreich so, dass die Parade-Intellektuellen des Landes, die Stimmung im Volk verlässlich falsch einschätzen. Von daher könnte sich Faymann eigentlich beruhigt zurücklehnen und den kommenden Wahlen entgegenblicken.
Kann er aber nicht. Weil zum einen die Wähler, um es zurückhaltend zu formulieren, auch nicht rasend vom politischen Kurs des Kanzlers begeistert sind. Zum anderen, weil sich die SPÖ seit Kreisky doch irgendwie an ihre Nörgler und Kritiker vom linken Rand gewöhnt hat. Letzteres nicht zuletzt deshalb, weil auf diese Dichter und Denker des Landes im Fall des Falles - also in Wahlkämpfen - doch stets Verlass im Sinne der Partei war. Was sich vielleicht weniger in Stimmen gewichten lässt als in medial transportierter Stimmung.
Um aus diesem Eck der provokanten Anti-Intellektualität wieder herauszukommen, hat die SPÖ vor einiger Zeit die Initiative "Österreich 2020" gestartet, in deren Rahmen die Partei über "neue Aufgaben, neue Antworten, neue Allianzen" mit Experten diskutieren will. Natürlich hat auch auf diese Idee der alte Kreisky das Copyright. Dessen 1400 Experten sind ohnehin längst fixer Bestandteil der Mythologie der Zweiten Republik.
Am heutigen Mittwochabend erfolgt in Wien quasi der offizielle Startschuss für den offiziell abgesegneten Nachdenkprozess: Im Museumsquartier wird der deutsche Politologe Wolfgang Merkel über "die Herausforderungen zu Beginn des 21. Jahrhunderts" referieren. Der Kanzler höchstpersönlich wird zuvor einleiten und anschließend hoffentlich lauschen, um den Lösungen auf die Spur zu kommen.