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"Versorgung und Betreuung" in Nordafrika

Von WZ-Korrespondentin Martyna Czarnowska

Politik

EU will Zusammenarbeit mit Libyen ausbauen, um Zahl der Flüchtlinge über das Mittelmeer zu senken.


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Brüssel. Eine gewisse Genugtuung kann Sebastian Kurz nicht verbergen. Denn eine Idee des österreichischen Außenministers, die noch vor einiger Zeit heftige Kritik ausgelöst hatte, stößt mittlerweile nicht mehr auf scharfe Ablehnung. So wird die Einrichtung von Auffanglagern für Schutzsuchende außerhalb der EU schon auf breiter Ebene diskutiert. Bei einem Gipfel auf Malta berieten die Staats- und Regierungschefs vor wenigen Tagen über eine Eindämmung der Flüchtlingsbewegung von Libyen nach Italien, und in Brüssel trafen einander gestern, Montag, die Außenminister, um über eine Kooperation mit dem nordafrikanischen Land zu debattieren. Zwar geht es dabei um Hilfe bei der politischen Stabilisierung des vom Bürgerkrieg zerrissenen Staates, aber eben auch um das Thema der irregulären Einwanderung.

"Wir wissen, dass es möglich ist, Migrationsströme zu stoppen oder stark einzudämmen", erklärte Kurz und verwies auf die Schließung der Balkan-Route. In der zweiten Jahreshälfte 2016 ist dort die Zahl der Durchreisenden im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 98 Prozent gesunken, wie die EU-Grenzschutzagentur Frontex angibt. Doch die Zahl der Menschen, die von Libyen aus nach Italien gelangten, ist gestiegen. Im Vorjahr kamen so mehr als 181.000 Schutzsuchende in der Union an.

Vorbild Australien

Daher plädiert Kurz dafür, illegal in die EU Einreisende an der Außengrenze zu stoppen, zu versorgen und zurückzustellen. Das würde auch zur Bekämpfung des Schlepperwesens beitragen. Denn das Kalkül ist: Wenn Migranten wissen, dass sie nicht nach Westeuropa durchkommen, werden sie sich nicht in die Hände von Menschenschmugglern begeben und eine lebensgefährliche Überfahrt über das Mittelmeer riskieren.

Als Beispiel einer Zusammenarbeit nannte der Minister Ägypten. Dorthin würden Schutzsuchende bereits nach der Rettung zurückgestellt. Das mache es für Migranten unattraktiver, in Richtung EU aufzubrechen. Als Vorbild für die gesamte EU aber dient Kurz Australien, das Bootsflüchtlinge in Auffanglagern in pazifischen Nachbarstaaten interniert.

Das Konzept von Lagern außerhalb der Union bleibt dennoch umstritten. Der neue deutsche Außenminister Sigmar Gabriel beispielsweise betonte, dass Libyen kein sicheres Land sei. Doch selbst in den Reihen seiner Partei, der Sozialdemokraten, gibt es Sympathie für eine Auslagerung der Betreuung. In einem Gastbeitrag für die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" schrieb SPD-Fraktionsvorsitzender Thomas Oppermann: "Um die Schleuserbanden wirksamer zu bekämpfen, müssen wir ihnen die Geschäftsgrundlage entziehen, indem die im Mittelmeer geretteten Flüchtlinge wieder zurückgebracht und zunächst in Nordafrika versorgt und betreut werden." Doch stellte er kurz danach klar, dass derzeit keine Schutzsuchenden nach Libyen zurückgeschickt werden könnten, weil das Land zu instabil sei.

Daher setzt die EU im Moment eher auf Hilfe für die libysche Küstenwache, die mit Geld und Ausbildung unterstützt wird. Hinzu kommen bilaterale Vereinbarungen wie eine mit Italien. Nach italienischen Medienberichten hat die Küstenwache vor Libyen allein in den vergangenen Tagen Boote mit rund 1200 Menschen aufgehalten und auf das Festland zurückgebracht.