Zum Hauptinhalt springen

"Verstehe Grund für Proteste nicht"

Von Walter Hämmerle

Politik

Interview mit WKO-Präsident Christoph Leitl. | "Nulllohnrunde steht nicht zur Diskussion." | "Wiener Zeitung": Das Motto der ÖGB-Demo lautet "Wir verzichten nicht!". Haben Sie als Arbeitgeberpräsident Verständnis für die Proteste?


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 15 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Christoph Leitl: In Österreich hat jedermann das Recht zu demonstrieren, aber wer Ergebnisse will, der muss verhandeln.

Aber verstehen Sie das Anliegen kein Verzicht?

Wer redet von Wegnehmen? Von mir haben Sie das Wort Nulllohnrunde nie gehört. Ich verstehe überhaupt nicht, für was eigentlich demonstriert wird. Natürlich aber geht es um die Aufrechterhaltung der Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen. Wenn die Frau Rudas, die SPÖ-Bundesgeschäftsführerin, sagt, dass die Gewerkschaften kämpfen sollen, um eine Nulllohnrunde zu verhindern, dann ruft die Frau zu etwas auf, das überhaupt nicht zur Diskussion steht.

Sind die Demonstrationen also nur symbolische Politik der Gewerkschaft, um zu zeigen, uns gibt es noch und wir sind kampfbereit?

Das müssen Sie diejenigen fragen, die diese Demonstrationen beschlossen haben. Ich kann und will das nicht interpretieren.

Wird durch den Entschluss der Gewerkschaft, auf die Straße zu gehen, die Sozialpartnerschaft belastet?

Nein, solange dadurch nicht die Verhandlungen gestört werden. Wir verhandeln über 700 Kollektivverträge und bisher ist es noch immer gelungen, mit Augenmaß und Ziel zu einer guten Einigung zu kommen. Aber natürlich sind die Zeiten schwieriger geworden: Die Arbeitnehmer haben noch das wirtschaftlich gute Jahr 2008 mit seiner hohen Inflation im Auge, während die Arbeitgeber mit Sorge auf das schlechte heurige Jahr schauen müssen, das sich wohl auch 2010 fortsetzt. Man muss auch sehen, dass sich beispielsweise Energie massiv verbilligt hat und die Inflation insgesamt stark zurückgegangen ist. Kurz: Wir stehen derzeit in völlig anderen Zeiten, als es noch 2008 der Fall war.

Die Auseinandersetzungen um die Kollektivverträge sind nur ein Schauplatz, wo es zwischen SPÖ und ÖVP härter zugeht, ein anderer ist die Auseinandersetzung um höhere Vermögensbesteuerung, wie sie die SPÖ fordert.

Starke Volksparteien halten durchaus Einzelmeinungen an den Flügeln aus. Ein Herr Voves wird die Republik schon nicht in den Untergang führen.

Wie ist Ihr Verhältnis zum neuen ÖGB-Präsidenten Erich Foglar?

Ein sehr konstruktiver Mann. Er hat allerdings erst Ende Juni seine offizielle Wahl zum ÖGB-Präsidenten, deshalb vermeidet er derzeit, sich zu stark zu exponieren. Auf sachlicher Ebene aber funktioniert die Zusammenarbeit ausgezeichnet.

Ist es ein Zeichen von Schwäche, dass Foglar die Proteste nicht verhindert hat?

Es ist zumindest kein Zeichen der Stärke. Wenn ich gute Argumente auf meiner Seite habe, dann suche ich den Verhandlungstisch auf und gehe nicht auf die Straße.