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"Verstoß gegen die Menschenwürde"

Von Alexandra Grass

Politik

In ihrer Sitzung Dienstagvormittag kam die parlamentarische Bundesheer-Beschwerdekommission zu einem klaren Urteil und spricht anlässlich der untersuchten Misshandlungsvorwürfe in den Kasernen Freistadt, Landeck und Bludesch von einem "Verstoß gegen die Menschenwürde". Außerdem ortet die Kommission "schweren Schaden für das Ansehen des Bundesheeres", wie es Vorsitzender Paul Kiss formulierte, und empfiehlt Konsequenzen. Minister Günther Platter will die Empfehlungen "sehr ernst" nehmen, betonte er im Anschluss an den Verteidigungsausschuss, der am Nachmittag tagte.


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n "Wir haben dem Herrn Bundesminister nichts vorzuschreiben." n

Vorsitzender Paul Kiss

In ihren Empfehlungen an Platter kritisiert die Beschwerdekommission, der Vertreter aller vier Parlamentsparteien angehören, dass im Rahmen des Ausbildungsablaufs mit Fesselungen und Handgreiflichkeiten in den drei Kasernen in Oberösterreich, Tirol und Vorarlberg die Menschenwürde der Grundwehrdiener verletzt wurde. In den einstimmig beschlossenen Empfehlungen ist auch von "dramatischen Auswirkungen einer mangelhaften oder fehlenden Dienstaufsicht" die Rede. Kritisiert wird ebenso, dass die "Vorschriftenlage" selbst von höchsten Amtsträgern zum Zeitpunkt der Erhebungen nicht konkret dargestellt werden konnte.

Damit sei "dem Ansehen des österreichischen Bundesheeres und dem Gedanken der allgemeinen Wehrpflicht schwerer Schaden zugefügt worden", bedauerte Kiss und forderte Konsequenzen, die sicherstellen sollen, dass kein Soldat solchen Schikanen unterworfen werden kann.

Welche Konsequenzen in welcher Ebene zu ziehen sind, habe allerdings alleine Platter zu entscheiden, betonte Kiss. "Wir haben dem Herrn Bundesminister nichts vorzuschreiben."

Den Empfehlungen zu Grunde liegen 73 Befragungen, die teilweise in den betroffenen Kasernen durchgeführt wurden, sowie fünf Befragungen von hoch- und höchstrangigen Offizieren in der gestrigen Sitzung. Als Auskunftspersonen geladen waren Generalstabschef Roland Ertl, der Leiter des Führungsstabes, Generalmajor Christian Segur-Cabanac, Generalleutnant Theodor Mather, Brigadier Johann Forster und Oberst Ernst Konzett. "Die Betroffenheit aller Auskunftspersonen war evident und spürbar", betonte Kiss.

Der SPÖ-Vertreter in der Beschwerdekommission, Anton Gaál, versicherte eine lückenlose Aufklärung der Fälle und sprach von einem Versagen des Ausbildungssystems. "Wir brauchen neue Ausbildungspläne und klare Regeln für die Zukunft." Gaál betonte aber auch, dass die Vorwürfe nicht verallgemeinert werden dürfen, denn tausende Soldaten im In- und Ausland würden "hervorragende Arbeit leisten".

Walter Seledec, Vertreter der FPÖ, macht die Vorschriftenflut für Missverständnisse verantwortlich. Er verwies auch darauf, dass alle drei bisher aufgearbeiteten Fälle sich im Bereich der 6. Jägerbrigade abgespielt haben.

Er wolle nicht in Details gehen, erklärte Grünen-Vertreter der Grünen Nikolaus Kunrath, verwies aber auf die Feststellung der Kommission, dass die Verantwortung für die mangelnde Kenntnis der Vorschriften bei den Entscheidungsträgern liege.

Bis dato sei der Minister allen Empfehlungen gefolgt, erklärte Kiss. Platter selbst will diese auch "sehr ernst" nehmen, wie er betonte. Ihm sei an "sehr seriösen und nachvollziehbaren Schritten" gelegen, erklärte der Minister nach dem Verteidigungsausschuss. Zur Frage nach dienstrechtlichen Konsequenzen meinte er, es seien die entsprechenden Disziplinarverfahren eingeleitet worden.

In den letzten zwei Wochen sind 838 mündliche Anfragen und 98 schriftliche Hinweise eingelangt sowie 73 Befragungen durchgeführt worden, skizzierte Kiss den jüngsten Arbeitsaufwand der Beschwerdekommission. 2003 war es zu insgesamt 3.100 Anfragen gekommen. Die nächste Sitzung ist für den 21. Dezember angesetzt.