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Zum ersten Jahrestag beschenkt sich die schwarz-grüne Tiroler Koalition mit einer kritisierten Lösung der Agrargemeinschaftsfrage. Weitere Hürden lauern.
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Innsbruck. Genau ein Jahr ist es heute, Mittwoch, her, dass die Parteichefs Günther Platter (ÖVP) und Ingrid Felipe (Grüne) die schwarz-grüne Koalition in Tirol präsentiert haben. Zum Jahrestag werden die beiden Parteien einen ersten Meilenstein ihrer Zusammenarbeit legen und im Landtag eine Gesetzesnovelle zu den Agrargemeinschaften, einem jahrzehntelangen Streitthema Tirols, beschließen.
Dass diese Novelle zum Jahrestag beschlossen wird, liegt am Fristenlauf im Landtag und ist eigentlich Zufall. Sie bietet der Koalition aber Gelegenheit, ihre Zusammenarbeit zu feiern. Von einer "neuen Zeitrechnung" spricht der grüne Klubobmann Gebi Mair im Zusammenhang mit der Gesetzesnovelle. Sein Verhandlungspartner, ÖVP-Abgeordneter Hermann Kuenz, meint, es sei eine "ganz große Herausforderung" gemeistert worden sei.
Die Opposition sieht das naturgemäß anders. SPÖ und Liste Fritz drohen der Regierung mit einem Misstrauensantrag. Der hat keine Chance auf Erfolg und wird nicht einmal von der restlichen Opposition, der ÖVP-Abspaltung Vorwärts Tirol und der FPÖ, unterstützt. Schwerer wiegt da schon die parteiinterne Kritik, die es sowohl innerhalb der ÖVP als auch der Grünen gibt.
Wichtigste Neuerung des Gesetzes in den Agrargemeinschaften ist ein Substanzverwalter, der an den Willen des Gemeinderates gebunden ist und als Mitglied einer Agrargemeinschaft über den Verkauf von Grundstücken, Verpachtungen und Ähnliches alleine entscheiden soll. Agrargemeinschaften sind Zusammenschlüsse zur Nutzung land- und forstwirtschaftlicher Güter.
Brisanz bezieht das Agrargemeinschaftsthema daher, dass in den 1950er und 1960er Jahren Grund, der den Gemeinden gehörte, und Substanz, die sich darauf befand, zum Teil ohne Wissen der Gemeinden von der Landes-Agrarbehörde in den Besitz der Agrargemeinschaften überschrieben wurde. Mit dem neuen Gesetz wird nun auch die Möglichkeit geschaffen, Gemeindegutsagrargemeinschaften aufzulösen.
Ärger an der grünen Basis
Innerhalb des ÖVP-Bauernbundes wurde Kritik laut, dass mittels des neuen Gesetzes ins Eigentum der Bauern eingegriffen werde. Doch auch auf grüner Seite wurde Kritik laut. Eine Gruppe grüner Urgesteine möchte mit Unterstützung ehemaliger hochrangiger Beamter die Basis mobilisieren und in einer Urabstimmung über das Gesetz entscheiden lassen. Bis Ende Mai läuft eine Befragung der grünen Mitglieder, ob eine Urabstimmung gewünscht ist. Stimmen zehn Prozent zu, wird die grün-interne Abstimmung bis Mitte Juni durchgeführt.
Da wird das Gesetz längst beschlossen sein, die Landtags-Mehrheit von Schwarz-Grün ist in dieser Frage nicht gefährdet. Die Abstimmung hätte also eher symbolischen Charakter. Das erzürnt die Kritiker, die in acht Punkten Änderungen am Gesetz wollten, noch mehr. "Die grüne Führung hätte es in der Hand gehabt, die Abstimmung rechtzeitig durchzuführen, wollte das aber nicht", sagt Klaus Büchlmann, einer der Initiatoren, zur "Wiener Zeitung". Die Änderungen wären allesamt im Rahmen des Koalitionsvertrags möglich gewesen, ist er überzeugt. Dass die Grünen bei den Agrargemeinschaften mit der ÖVP paktieren, "ist für mich entsetzlich", sagt Büchlmann.
Eine solche Diktion will Klubobmann Mair, vor der Wahl selbst ein leidenschaftlicher ÖVP-Kritiker, nicht mehr hören. Er spricht von einer "notwendigen Bereitschaft aller, über den eigenen Schatten zu springen". Es gehe beim Thema Agrargemeinschaften auch um Versöhnung, sagt er.
Bis diese erreicht ist, wird es aber noch dauern, glauben Beobachter. Zwar werde mit dem neuen Gesetz nun "für gewisse Zeit Ruhe einkehren", sagt Ferdinand Karlhofer, Politikwissenschafter an der Univerität Innsbruck. Einsprüche vor den Höchstgerichten sind aber sehr wahrscheinlich. Und auch die Umsetzung des neuen Gesetzes wird nicht in jeder der betroffenen rund 250 Agrargemeinschaften harmonisch über die Bühne gehen.
"In den Fällen, in denen Veränderungen entstehen, werden in den Gemeinden Konflikte sichtbar werden und wird es Widerstand vonseiten der Agrargemeinschaften geben", glaubt Karlhofer. Da ein Ausscheren der Grünen in der Frage des Gesetzes aber einen klaren Koalitionsbruch bedeuten würde, gibt er der Urabstimmung keine großen Chancen. Generell sieht er die Koalition nach einem Jahr auf relativ stabilem Kurs.
Unruhegebiet Kalkkögel
Auch bei anderen heiklen Themen gibt es wenige Anzeichen für schwerwiegende Konflikte. Bei den Kalkkögeln, einem Ruhegebiet in der Nähe Innsbrucks, das bei den Seilbahnern rund um die Landeshauptstadt Begehrlichkeiten weckt, spielt Landeshauptmann Platter auf Zeit. Für den gewünschten, auch von der Tiroler Wirtschaftskammer unterstützten, Seilbahnbau bräuchte es eine Aufhebung des Ruhegebiets, für die die SPÖ und Vorwärts Tirol bereits Zustimmung signalisiert haben. Solange die Finanzierung aber nicht steht, will Platter darüber nicht einmal reden. "Die Projektbetreiber sind zudem alles andere als geschlossen", sagt Karlhofer. Sollte die ÖVP bei der Aufhebung des Ruhegebiets irgendwann mit der Opposition mitstimmen, wäre das eine schwere Belastung für die Koalition. Die Grünen betonen, dass es dieses Seilbahnprojekt mit ihnen in der Regierung nicht geben wird.
Während sich die nunmehrige Regierungspartei in dieser Frage mit ihrer Basis einig ist, sieht es bei einem anderen Tiroler Streitthema anders aus. Bei der Transitfrage bekommt die grüne Spitze langsam den Druck ihrer Basis zu spüren. Das liegt auch daran, dass der Kampf gegen den Lkw-Transit ein integraler Bestandteil der Gründungsgeschichte der Grünen in Tirol ist.
Mit dem Amtsantritt der grünen Verkehrs-Landesrätin Ingrid Felipe wurden große Hoffnungen verknüpft. Auf eine Wiedereinführung des vom Europäischen Gerichtshof aufgehobenen sektoralen Fahrverbots gibt es auch nach einem Jahr keine Hinweise. Die ÖVP weigert sich, das dafür nötige Tempo-100-Limit auf der Inntalautobah zu akzeptieren.