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Erster Europatag im Parlament. | Khol weist EU-Abgeordnetenkritik zurück. | EU-Abgeordnete haben kein Rederecht im Nationalrat. | Wien. Der erste Europatag des Nationalrates gestern, Donnerstag, brachte schon nach den ersten Stunden Kritik der Nationalratsabgeordneten hervor. "So wie es bis jetzt gelaufen ist, ist das schlimm", meinte der GrünAbgeordnete Karl Öhlinger in einer Pause zur "Wiener Zeitung". Denn fast alle Parteien würden die Redezeit für Wahlkampftöne nützen und nicht für Europa.
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Zu Beginn des Plenums erklärte Nationalratspräsident Andreas Khol den eigentlichen Grund des Europatages, der künftig viermal im Jahr stattfinden soll: Angesichts einer Wahlbeteiligung von nur 42 Prozent bei der vergangenen EU-Wahl sollen diese Tage die live im ORF übertragen werden sich ausschließlich mit Fragen der Europäischen Union beschäftigen.
Wirtschaft und Arbeit, die Dienstleistungsrichtlinie, der Kampf gegen den Terrorismus und die Bildungspolitik standen zwar am Themenplan. Doch sorgten vor allem die Türkei-Frage und einige Wahlkampftöne für die meisten Emotionen.
Bundeskanzler Wolfgang Schüssel bekräftigte in seiner Rede den europäischen Gedanken, der Wachstum und Beschäftigung ermögliche. "Europa muss nützen, und Europa muss schützen", betonte der Kanzler. ÖVP-Klubobmann Wilhelm Molterer hob die Linie der ÖVP hervor, für ein starkes Europa einzutreten. Denn "die Großen können es sich richten, daher brauchen wir Europa". Die EU-Skepsis der Österreicher sei aber durchaus ernst zu nehmen.
Dass die Skepsis im Land berechtigt sei, meinte auch SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer. Er warf der Regierung vor, nicht demokratisch zu handeln. "Es werden Beschlüsse in Straßburg gefasst und diese keiner öffentlichen Diskussion unterzogen", so Gusenbauer. Den Österreicher interessieren konkrete Fragen: Wie kommen europäische Gesetze zu Stande, und welche Probleme werden dadurch gelöst. Der freiheitliche Nationalratsabgeordnete Reinhard Bösch forderte Regelungen "europafern und bürgernah" zu fassen. In der Türkei-Frage schlug er vor, "hart zu bleiben". "Riskieren sie ruhig, dass es keine Verhandlungen geben wird", meinte er in Richtung Außenministerin Ursula Plassnik.
Der Grünen-Chef Alexander Van der Bellen setzte sich konkret mit den 24 Leitlinien zur Wiederbelebung der Lissabon-Wachstumsstrategie auseinander. Diese seien von jemandem verfasst worden, "dem das Wort Bürgernähe fern sei", bekrittelte Van der Bellen.
EU-Parlamentarier nicht eingeladen
Kritik am Europatag gab es schon im Vorfeld von SPÖ-EU-Delegationsleiterin Maria Berger. Die Tatsache, dass der erste Europatag terminlich so festgesetzt wurde, dass den EU-Abgeordneten aufgrund der zeitgleich stattfindenden Plenarsitzung in Straßburg keine Teilnahme möglich ist, sei ein "Affront", meinte Berger. Auch die Grünen-Abgeordnete Ulrike Lunacek bedauerte, dass die Regierung die Teilnahme von EU-Politikern ablehnte. Die Grünen hätten einen dementsprechenden Vorschlag eingebracht. Khol dazu; "Eine Teilnahme ist nie geplant gewesen". Auch ÖVP-Generalsekretär Reinhold Lopatka sieht keinen Nutzen in der Anwesenheit von EU-Politikern. "Wir haben schon ein großes Problem mit unseren Abgeordneten, dass viele gerne öfters zu Wort kommen möchten. Da ist es schwer den eigenen Kollegen verständlich zu machen, dass man für Außenstehende das Rederecht neu einräumt", sagte Lopatka im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".
Heftig umstritten war die EU-Dienstleistungsrichtlinie. SPÖ und ÖVP betonten ihr Ja zur Dienstleistungsfreiheit in der EU. Nur: "Der Weg bleibt zu diskutieren", erklärte Wirtschaftsminister Martin Bartenstein. Ein Entschließungsantrag der Koalition, der die Regierung auffordert, die "Barrieren im europäischen Dienstleistungshandel" zu beseitigen, wurde mit den Stimmen der Koalition angenommen.
Der Antrag von ÖVP und BZÖ betreffend Terrorismusbekämpfung und Schutz kritischer Infrastruktur wurde ebenfalls mit Stimmen der Koalition angenommen.
Der Kritik am Europatag, dessen Sinnhaftigkeit von vielen Abgeordneten am Ende des Tages in Frage gestellt wurde, entgegnete Lopatka: Es ist ein Versuch. Man wird sich zusammensetzen müssen, um darüber nachzudenken, was man besser machen kann.
Siehe auch:
Der Weg zum EU-Gesetz