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Nach den Plagiatsvorwürfen gegenüber Ministerin Christine Aschbacher arbeitet die FH Wiener Neustadt nun an der Klärung des Falls. Es geht nun nicht nur um die konkrete Arbeit, sondern auch um das Image der Fachhochschulen.
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Auch nach dem Rücktritt von Christine Aschbacher als Arbeits- und Familienministerin geht die Aufarbeitung der Plagiatsvorwürfe weiter. Grund für den Rücktritt war, dass Kommunikationswissenschaftler und Plagiatsgutachter Stefan Weber deutliche Hinweise veröffentlicht hatte, wonach die Ministerin - jetzt außer Dienst - sowohl in ihrer Diplomarbeit an der Fachhochschule Wiener Neustadt aus dem Jahr 2006 als auch in ihrer Dissertation "Entwurf eines Führungsstils für innovative Unternehmen", die sie am 31. Mai 2020 an der slowakischen TU in Bratislava abgegeben hat, plagiiert und falsche Zitate veröffentlicht hatte.
Die Diplomarbeit mit dem Titel "Kompetenzen im Vertrieb - Anforderungen im Key Account Management" im Studiengang "Wirtschaftsberatende Berufe" unterbiete laut Weber "alle wissenschaftlichen Standards", in manchen Passagen habe Aschbacher "plump plagiiert": "Der Übergang vom falschen Zitat zum Plagiat ist fließend, wie die nahezu komplett abgekupferte Seite 36 zeigt, auf der keine 15 Wörter von der Verfasserin stammen."
Dass die Arbeit mit einem Einser beurteilt wurde, könnte der Neo-Ministerin a.D. übrigens nun zum Verhängnis werden: "Hätte Frau Aschbacher alle Plagiate und inkorrekten Zitate korrekt ausgewiesen, hätte sie kein Sehr gut erhalten", sagt Weber. Da ein Herabstufen der Note nicht möglich ist, müsse juristisch die Aberkennung des Titels folgen, die "Wiener Zeitung" berichtete.
Eine Plagiatsprüfung der auf der Homepage der Slowakischen TU zum Download zur Verfügung stehenden Dissertation steht zwar noch aus, eine erste technische Prüfung mittels Plagiatssoftware aber wies Weber 21 Prozent dieses 134 Seiten langen Textes als Plagiat aus. Es waren also Textpassagen, die aus anderen Quellen ohne wissenschaftlich korrekt zu zitieren übernommen wurden. Mit dabei auch sprachliche Bonmots wie der Satz "Annahmen sind wie Seepocken an der Seite eines Bootes; sie verlangsamen uns." Diese dürften durch das Übernehmen einer automatisierten Übersetzung eines Forbes-Artikels zustande gekommen sein.
Beide Titel von Christine Aschbacher wackeln
Für Weber ist jedenfalls klar: "Die schwerwiegenden Verstöße gegen die Moral, gegen die wissenschaftliche und politische Integrität waren mehr als deutlich erkennbar", schreibt er in seinem Blog nach dem Rücktritt der Ministerin.
Die Fachhochschule Wiener Neustadt hat ein Prüfverfahren in Gang gesetzt und beschäftigte sich am Montag mit dem Aufsetzen, auch der Auswahl der Beteiligten dieses Verfahrens. Sie konnte noch nicht sagen, ob und welche externen Stellen an der Prüfung der Arbeit beteiligt sind. Klar ist jedenfalls: "Sollte in einem Verfahren zum Beispiel nach der Nichtigerklärung der Beurteilung einer wissenschaftlichen Arbeit festgestellt werden, dass die Verleihung des akademischen Grades erschlichen wurde, wird der Bescheid, mit dem der akademische Grad verliehen wurde, aufgehoben", heißt es seitens der FH Wiener Neustadt gegenüber der "Wiener Zeitung" im Vorfeld.
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Unabhängig davon, ob auch die slowakische TU die Dissertation überprüft, hätte eine solche negative Entscheidung der FH Auswirkungen auf Aschbachers dort erworbenen Doktortitel. Denn, so Weber: "Sollte der österreichische Magistergrad an der FH Wiener Neustadt widerrufen werden - und anders wird es mit rechten Dingen nicht zugehen können -, hat sich Frau Aschbacher die Zulassungsvoraussetzung für ein Doktoratsstudium in der Slowakei ebenso erschlichen."
Qualität der Fachhochschule Wiener Neustadt
Der Studiengang "Wirtschaftsberatende Berufe" war jedenfalls bei den ersten zugelassenen im Jahr 1999 mit dabei, unter diesem Namen gibt es ihn heute nicht mehr, "was aber nichts Ungewöhnliches ist, weil Studiengänge laufend weiterentwickelt werden", sagt Jürgen Petersen, Geschäftsführer von der Agentur für Qualitätssicherung und Akkreditierung Austria, die seit 2012 für die Fachhochschulen zuständig ist.
"Bei der FH Wiener Neustadt gibt es da nichts Auffälliges, das letzte Audit erfolgte ohne Auflagen." Zu den Kriterien zähle ein funktionierendes Qualitätsmanagement, die FH habe ein solches. Sie konnte und kann auch eine prozess- und regelorientierte gute wissenschaftliche Praxis sicherstellen. Eine Plagiatsoftware ist aber nicht vorgeschrieben: "Wie die FH die Qualitätskriterien konkret erfüllt, bleibt ihr im Rahmen der Hochschulautonomie selbst überlassen."
Den jüngsten Audit-Bericht zum Qualitätsmanagement der FH Wiener Neustadt hat die ZEVA Hannover 2016 verfasst, auch da heißt es, dass in der Wissenschaft zwar noch neue Verfahren erprobt werden, ein "klares Arbeitsprogramm" in puncto Qualitätssicherung aber erkennbar und im Studium und der Lehre das Qualitätsmanagement "gut erfüllt" sei.
Das heute an der FH Wiener Neustadt angebotene "Business Consultancy International" wird im aktuellsten CHE-Hochschulranking durchaus gut bewertet. Punkteabzüge gibt es beim Bachelor nur bei der internationalen Ausrichtung und beim Praxisbezug. Im jährlichen Fachhochschul-Ranking des Industriemagazins vom März 2020 schafft es die FH Wiener Neustadt allerdings im Ranking der dafür befragten Personalverantwortlichen nur auf Platz 14 von 18 beurteilten Fachhochschul-Trägern. Das Image der Wiener Neustädter könnte also besser sein. Die Qualität, und wie diese im Studiengang und beim Abschluss sichergestellt wird, spielt allerdings in beiden Bewertungen keine Rolle.
Kurt Koleznik, Generalsekretär der Fachhochschul-Konferenz, sagt im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" jedenfalls: "Ich möchte betonen, dass mögliche Plagiate kein systemisches Problem der Fachhochschulen sind, sondern ein mögliches eines konkreten Fachbereiches 2006, also vor 15 Jahren, an der Wiener Neustädter FH." Noch stehe nicht fest, ob es sich bei Aschbachers Arbeit um ein Plagiat handle oder ob es nur schlechtes Deutsch gewesen sei.
"Die Versuchung solche Abkürzungen zu nehmen, die besteht. Studierende stehen in der Copy-Paste-Gesellschaft enorm unter Druck", sagt Koleznik allerdings auch. Er rät allen Fachhochschulen deshalb dazu, nochmals bei der Software und dem Vier-Augen-Prinzip nachzuschärfen, außerdem den Studierenden noch genauer als bisher zu erläutern, was wissenschaftliches Arbeiten bedeutet und aus dem Anlassfall zu lernen. Denn: "Plagiieren ist keineswegs ein Kavaliersdelikt."