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Die Aussagen Marcel Hirschers mögen viele irritiert haben. Doch sie sollten in vielerlei Hinsicht zu denken geben.
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Na bitte, geht ja. Die rot-weiß-rote Medaillensammlung erhielt am Mittwoch Zuwachs durch die Silberne der Rodler Peter Penz/Georg Fischler sowie die Bronzene durch Lukas Klapfer in der nordischen Kombination, die österreichische Fanseele ist (vorerst) befriedigt. Doch noch immer hallen die Worte von Marcel Hirscher vom Dienstag nach. Da stand nun seine Goldmedaille in der alpinen Kombination fest - und er selbst unmittelbar danach im Zielraum, erleichtert und glücklich zwar, aber längst nicht so aus dem Häuschen wie die Fans und manch Reporter. Wieder und wieder wurde er gefragt, wie es sich für ihn anfühle, seiner Trophäensammlung nun "endlich" auch Olympia-Gold hinzugefügt zu haben. Hirschers Antwort erregte Erstaunen: Nicht anders als sonst. Das Unglauben war so groß, dass Hirscher es an diesem Tag noch x-mal wiederholen musste. Bei der abendlichen Pressekonferenz legte er sogar noch einmal nach: Das Gefühl bei der Heim-WM in Schladming war viel spezieller gewesen, die Atmosphäre eine andere. Die Schladminger Lokalpolitiker werden es gerne gehört haben, befeuert es doch die Argumente für eine angedachte, aber längst nicht beschlossene Olympia-Bewerbung für 2026. Doch auch in anderer Hinsicht sollte seine Aussage zu denken geben: Dass Olympia einen besonderen Stellenwert im Sport hat, ist unbestritten, alleine, weil es nur alle vier Jahre stattfindet. Viele Sportler bereiten sich gar ein Leben lang auf diesen einen Tag vor. Natürlich ist die Freude groß, wenn an diesem dann alles aufgeht. Doch in dem Zeitraum davor jeweils das richtige Gesamtpaket zu schnüren, ist die eigentliche Herausforderung; dann auch noch Fokus und Nerven zu behalten, eine Qualität, die Sportler wie Hirscher und andere Sieger Medaillengewinner auszeichnet. Und dennoch: Hätte es nicht geklappt, hätte ihn der Wind im Kombinationsslalom etwa verblasen, wäre er gewiss kein schlechterer oder weniger kompletter Sportler gewesen. Hirscher ist klug genug, das in den vergangenen Jahren, Monaten, Wochen und Tagen, als die Frage nach dem noch weißen, jetzt goldenen Fleck in seiner Vita aufkam, verinnerlicht zu haben. Er hat es schließlich immer wieder betont. Vielleicht glauben es ihm jetzt auch all jene, die nach verpassten Medaillenchancen in Weltuntergangsstimmung verfallen - sei es in den Sportorganisationen, in der Politik, in den Medien oder unter den Fans; die wahlweise die Athleten als "Olympia-Touristen" oder "Versager" verunglimpfen oder die Schuld gleich bei anderen suchen. In Südkorea kann man derzeit die Auswüchse beobachten, die diese Hysterie bisweilen annehmen kann: Weil die Lokalmatadorin Choi Min-jeong im Shorttrack-Finale über 500 Meter disqualifiziert wurde, Kim Boutin daraufhin Bronze erbte, wurde diese von wutschäumenden Fans mit Beschimpfungen und Morddrohungen bedacht. Boutin musste ihre Accounts schließen, das kanadische Komitee leitete Ermittlungen ein, das internationale rief zur Mäßigung auf. Dass solche Vorfälle zu verurteilen sind, versteht sich von selbst. Doch sie sollten auch jenen zu denken geben, die die Olympia-Überhöhung auf die Spitze treiben. Ein wenig mehr Gelassenheit à la Hirscher täte vielen gut.