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Verteilungszweifel

Von Walter Hämmerle

Politik

IHS-Studie stellt Notwendigkeit von Vermögenssteuern infrage.


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Wien. Dass Politiker ein und dieselbe Realität in höchst unterschiedlichen Farben schildern, wird längst als Normalfall hingenommen. Für die Klärung strittiger Fragen gibt es ja immer noch die vorgeblich wertneutrale Wissenschaft. Dass auch diese nicht immer für zweifelsfreie Klärung sorgen kann, zeigt die am Mittwoch neu aufgeflammte Debatte über die Einführung allfälliger Vermögenssteuern in Österreich, die die politische Debatte zwischen Befürwortern und Gegnern einer Vermögenssteuer eher befeuerte als kalmierte.

Am Dienstagabend hatte Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl zu einem Hintergrundgespräch geladen, bei dem IHS-Chef Christian Keuschnigg eine Studie über Aufkommen, Verteilung und ökonomische Effekte einer Vermögenssteuer präsentierte. Ebenfalls geladen: ÖVP-Obmann und Vizekanzler Michael Spindelegger.

IHS: Auch Beitragsvermögen berücksichtigen

Wie sich daran unschwer erahnen lässt, fällt Keuschniggs Resümee zur Vermögenssteuer kritisch aus. Dies beginnt damit, dass er die Prämisse - die von Befürwortern behauptete ungleiche Verteilung von Vermögen - in Zweifel zieht. Werde nicht nur zur Verfügung stehendes Kapitalvermögen, sondern auch die durch Beitragszahlungen begründeten Ansprüche gegenüber dem Sozialstaat berücksichtigt, wird laut IHS die ungleiche Vermögensverteilung erheblich ausgeglichener. Im Sozialstaat ersetzten deshalb Beitragsvermögen (i.e. Pensions- und andere Sozialversicherungsansprüche) Finanzvermögen.

Zur Untermauerung dieser These stützt sich Keuschnigg auf Daten der OECD, nach denen Österreichs Sozialstaat - unter Einbeziehung sämtlicher Steuern und Transferleistungen - unter allen 34 Mitgliedstaaten am stärksten umverteilend wirke (siehe Grafik), was den Bedarf für eine zusätzlich umverteilend wirkende Steuer hinterfrage.

Keuschnigg sieht noch weitere Argumente, die gegen eine Vermögenssteuer sprechen. So bestreitet er unter Verweis auf das Problem der Scheingewinnbesteuerung die Auffassung, Kapitalerträge seien zu niedrig belastet: Im Falle niedriger Realzinsen und/oder hoher Inflation könne es so zu einem realen Vermögensverlust kommen. Zudem argumentiert der IHS-Leiter mit hohen Verwaltungskosten bei der Einhebung, negativen Wachstumseffekten sowie einem um 30 Prozent geringeren zusätzlichen Steueraufkommen, da neue Steuern stets zu Umgehung motivierten.

Leitl und Spindelegger sehen sich durch die Studie bestärkt in ihrem Widerstand gegen eine Vermögenssteuer. So weit, dies im Superwahljahr 2013 als Bedingung für eine Neuauflage einer Koalition mit der SPÖ zu bezeichnen, wollte er aber nicht gehen. Auch beim Thema Entlastung will Spindelegger keine großen Versprechen machen, Priorität habe derzeit die Budgetsanierung.

SPÖ und Gewerkschaft beharren auf Einführung

Unbeeindruckt von der Studie zeigten sich am Mittwoch die Befürworter der Vermögenssteuer. Sowohl SPÖ wie auch Gewerkschaft und Arbeiterkammer beharrten darauf, dass die ungleiche Vermögensverteilung zusätzliche Umverteilung notwendig mache und verwiesen dabei auf den mit bis zu 50 Prozent belasteten Faktor Arbeit. Hier Vermögen stärker zu besteuern, würde Spielraum für eine spürbare Entlastung von Arbeitseinkommen verschaffen, so die Argumentation der Befürworter. Für Keuschnigg ist dies nur durch eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit möglich.