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Im Zuge der politischen Veränderungen der vergangenen Wochen bekommt auch der Fragenkomplex "Kontrollmöglichkeiten der Opposition" eine völlig neue Relevanz. Die Regierungsparteien ÖVP und FPÖ | sind zuletzt dazu übergegangen, Minderheitenrechte für sich in Anspruch zu nehmen. Das ließ die Oppositionsparteien SPÖ und Grüne aufhorchen.
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Naturgemäß wünscht sich jede Opposition eine Ausweitung ihrer Möglichkeiten der Kontrolle, und anläßlich der großen Geschäftsordnungsnovelle 1996 brachten sich die damaligen Oppositionsparteien
(FPÖ, Grüne, LiF) auch eifrig ein. Die geänderte politische Lage führte aber auch zu einem Nachdenkprozess bei ÖVP und SPÖ. Dementsprechend umfangreich sind die Vorschläge zur weiteren Verbesserung
der parlamentarischen Möglichkeiten.
SPÖ und Grüne wollen mehr
Transparenz bei Ausschüssen
Mehr Transparenz wünschen sich nun SPÖ und Grüne etwa bei den Ausschüssen. Diese sind derzeit nur in einigen Ausnahmefällen öffentlich zugänglich, etwa, wenn es sich um Berichte handelt, die im
Ausschuss enderledigt werden, oder bei EU-Materien im Hauptausschuss · beim Untersuchungsausschuss ist die Beweisaufnahme medienöffentlich. Weiters gibt es die Möglichkeit, Gesetzesbeschlüsse, denen
besondere Relevanz zukommt, coram publico zu behandeln.
Josef Pointner vom SPÖ-Klub sieht das Problem der Öffentlichkeit von Ausschüssen vor allem darin, dass derzeit in der Geschäftsordnung derart viele abgestufte Verfahren vorgesehen seien. Hier sei
eine Einheitlichkeit der Verfahren wünschenswert, um die bestehenden Instrumentarien effizienter nutzen zu können. Dadurch würden das Procedere auch nachvollziehbarer für die Öffentlichkeit, zeigt
sich Pointner überzeugt.
Felix Ehrnhöfer, Klubdirektor der Grünen, wiederum verweist auf das Beispiel des Deutschen Bundestages, wo etwa Experten-Hearings ein Minderheitenrecht darstellen. Es wäre Sinn stiftend, könnte man
bei wichtigen Materien Experten hören, ohne dabei von der Willensbildung der jeweiligen Mehrheit abhängig zu sein. Als konkretes Beispiel erinnert Ehrnhöfer an die Werkvertragsregelung, von der
plötzlich die Kolporteure ausgenommen gewesen seien. Hier wäre ein eingehenderer Diskurs mit Fachleuten von Vorteil gewesen. Ehrnhöfer sieht beim Hearing als Minderheitenrecht ein
Oppositionsschutzinstrument gegen unsachliche Regelungen.
FPÖ: Gegenwärtiges Modell
nicht zufriedenstellend
Auch für die FPÖ ist das gegenwärtige Modell der Öffentlichkeit der Ausschüsse "nicht zufriedenstellend", da es nur "sehr beschränkt" möglich sei, die Öffentlichkeit herzustellen, betonte Robert
Prohaska, Klubdirektorstellvertreter der FPÖ, und tritt dafür ein, dass die Anhörung von Auskunftspersonen öffentlich sein sollte.
ÖVP: Derzeitige
Regelung in Ordnung
Werner Zögernitz, Klubdirektor der ÖVP, ist der Auffassung, dass die gegenwärtigen gesetzlichen Regelungen hinsichtlich der Öffentlichkeit von Ausschüssen durchaus in Ordnung sind. Das Problem
liege eher in der mangelnden Medienpräsenz, wodurch dann viele Abgeordnete Verhandlungsgegenstände doch lieber im Plenum diskutiert haben wollten. Seines Erachtens brauche es eher exaktere und
transparentere Bestimmungen und bessere Information der Medienvertreter, um dieses an sich sehr öffentlichkeitsfreundliche Modell auch entsprechend in der Praxis wirken lassen zu können.
Besorgt zeigt sich Ehrnhöfer über die jüngst an den Tag gelegten Verhaltensweisen der neuen Regierungsparteien. Es sei nachgerade "einer der größten Skandale", wenn sich die Mehrheit der Instrumente
bediene, die eigentlich der Minderheit zustünden. "Was nur bedauerlich ist, ist, dass man das einer breiten Öffentlichkeit nicht gut vermitteln kann", kritisiert Ehrnhöfer.
Die jüngste Sondersitzung zum Budget sei, wie es der Grüne Klubobmann Alexander Van der Bellen ausdrückt, nur "eine verlängerte Pressekonferenz" von ÖVP und FPÖ gewesen. Und Ehrnhöfer beklagt, dass
die FPÖ die Möglichkeit der Opposition, eine Sonderprüfung durch den RH zu initiieren, durch ihr Vorgehen blockiert hätte, da stets nur ein solches Vorhaben zulässig ist. Und da eine solche Prüfung
geraume Zeit in Anspruch nimmt, sei dieses wichtige Instrument für Rot und Grün bis auf weiteres perdu.
Die Regierung lasse es derzeit überhaupt an Fairness missen, so der grüne Klubdirektor, denn eine Dringliche Anfrage an den eigenen Minister zu stellen, sorge dafür, dass drei Redner der Regierung
hintereinander sprechen können, was dem Wechselspiel von Rede und Gegenrede doch einigermaßen entgegenstehe. Die neue Koalition habe einen Stil hineingebracht, "den man bisher nicht einmal von der
Großen Koalition, die schon oft genug über das Parlament drübergefahren ist, gekannt hat".
"Bei allen Vorwürfen, die man SPÖ und ÖVP machen hat können, was den Umgang mit dem Parlament betrifft · aber dass sie Minderheitsrechte gebrauchen, mit der offensichtlichen Absicht, sie für die
Opposition sozusagen zu verhindern, das kann ich mich eigentlich nicht erinnern", so Ehrnhöfer.
Untersuchungsausschüsse
als Minderheitenrecht
Von zentraler Bedeutung für beide Fraktionen ist die Möglichkeit der parlamentarischen Minderheit, Untersuchungsausschüsse einsetzen zu können. Dies ist aber auch eine langjährige Forderung der
FPÖ. Diese brachte in der vorigen Gesetzgebungsperiode einen eigenen Antrag ein. Einzelne Stimmen kamen bisher auch von der ÖVP. Historisch gesehen am skeptischsten zeigte sich bisher die SPÖ.
Ehrnhöfer betrachtet es als Erfolg der Grünen bei den Sondierungsgesprächen nach den NR-Wahlen vom 3. Oktober 1999, dass es da gelungen sei, die SPÖ auch auf diesen Standpunkt zu bringen, "und zwar
zu einem Zeitpunkt, wo man möglicherweise im Hinterkopf gehabt hat, dass sie in Opposition sind. Quasi aber noch Regierungsfraktion war und damit einen demokratiepolitischen Schritt nach vorne
gemacht hatte." Die Grünen plädieren bei den Untersuchungsausschüssen für ein Modell, wonach jede Fraktion je einen Antrag auf Einsetzung eines solchen einbringen könne, dies analog den Möglichkeiten
für eine Sonderprüfung des RH.
Pointner wiederum verweist auf den Antrag der SPÖ, wonach ein Drittel der Abgeordneten einen solchen U-Ausschuss beantragen können sollen. Für beide Fraktionen hat diese Frage oberste Priorität. Die
Regierungsparteien ÖVP und FPÖ treten dafür ein, dass ein Viertel der Abgeordneten einen solchen beantragen können. Die Grünen meinen jetzt aber, dass die Koalitionsparteien in dieser Frage säumig
sind und eine "Verschleppungsstrategie" betreiben, weil sie sehr darauf gedrängt hätten, dass man in dieser Causa wissenschaftliche Untersuchungen anstellen sollte. Aus demokratiepolitischer Sicht
sollte die Schwelle, um die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses beantragen zu können, herabgesetzt werden, so Ehrnhöfer.
Prohaska hingegen verweist darauf, dass die FPÖ schon in der letzten Gesetzgebungsperiode mittels Antrag darauf gedrängt habe, mittels eines qualifizierten Quorums einen U-Ausschuss in jedem Falle
einsetzen zu können. Wie sein freiheitlicher Kollege kann sich auch Zögernitz vorstellen, dass ein Viertel der Abgeordneten für ein solches Begehren ausreichend sein soll. Der ÖVP-Klubdirektor tritt
aber dafür ein, zuerst die deutsche Rechtslage und deren Praxis zu überprüfen, um durch ein vergleichbares Gremium zu aufschlussreichen Erkenntnissen zu gelangen. Am 16. März werde sich das
Geschäftsordnungskommitee dieser Frage erneut annehmen, betont Zögernitz.
Die Volksanwälte
Die Volksanwälte werden derzeit von den drei stärksten Fraktionen gestellt · dies sind Christa Krammer (SPÖ), Horst Schender (FPÖ) sowie Ingrid Korosec (ÖVP). Die Funktionsperiode dauert sechs
Jahre · gewählt wurde zuletzt im Jahr 1995. Bei einer Neuwahl bringen jeweils die drei mandatsstärksten Parteien ihre Vorschläge ein, der Hauptausschuss erstellt einen Gesamtvorschlag, welcher im NR-
Plenum zur Abstimmung gelangt.
Prinzipielle Aufgabe der Volksanwaltschaft ist es, Versäumnisse in der Verwaltung festzustellen. "Die Volksanwaltschaft soll die Vollziehung kontrollieren, daher sollte es kein Abgeordneter einer
Regierungspartei sein", betont Ehrnhöfer. Der Grüne Klubdirektor plädiert sogar dafür, in diesen Funktionen Unabhängige einzusetzen. Ein Entsenderecht der großen Fraktionen sieht er als
Festschreibung von Proporz. Dies zeige, "dass die FPÖ in diesen Proporz schon seit jeher eingebunden war".
Hearings: Ja oder Nein?
Für die FPÖ wäre ein nachvollziehbares Auswahlverfahren sinnvoll. Auch die Frage der Hearings in diesem Bereich, wie sie von den Grünen gefordert werden, sei ein Vorschlag der FPÖ, so Prohaska. Es
seien ja die Freiheitlichen gewesen, die schon lange für eine solche Variante eingetreten seien, erinnert der stv. Klubdirektor. Erstmals sei es bei den Verfassungsrichtern, welche auf Vorschlag des
Bundesrates bestellt werden, zu einem Hearing gekommen, der Nationalrat habe dieses Procedere übernommen. Die neue Regierung wolle diese Vorgangsweise nun auch auf jene Kandidaten ausweiten, welche
von der Bundesregierung entsandt werden. Dies stünde auch im Regierungsabkommen. Prohaska plädiert hier für ein objektives Auswahlverfahren, "damit die qualifiziertesten Leute gewählt werden können".
Zögernitz heftet sich diese Transparenz auf die Fahnen seiner Fraktion. Bereits 1992 habe es im RH-Ausschuss ein Hearing im Vorfeld der Kür des jetzigen Präsidenten Franz Fiedler gegeben, wie die ÖVP
auch bei den Verfassungsrichtern Pionierarbeit geleistet habe. Verbesserungen seien freilich immer möglich, er, Zögernitz, trete stets für größtmögliche Transparenz ein, doch müsse man zwischen
unparteiischen Funktionen wie etwa jener eines Verfassungsrichters und politischen Ämtern wie bei der Volksanwaltschaft unterscheiden.