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Vertrauen gesucht: Die Zentralbank wird’s schon richten

Von Hermann Sileitsch

Wirtschaft

Analyse: Die EZB muss handeln - | darf sich dazu aber nicht drängen lassen.


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Frankfurt/Wien. Ohne eine aktive Rolle der Europäischen Zentralbank (EZB) werden die Euro-Turbulenzen kaum zu lösen sein. Die wichtigste Frage, die sich Investoren weltweit stellen, ließen Angela Merkel und Nicolas Sarkozy nämlich unbeantwortet: Wo soll das Geld herkommen, wenn alle anderen Quellen versiegen?

In den USA ist klar: Notfalls wirft die Notenbank Federal Reserve die Gelddruckmaschinen an und kauft Staatspapiere auf eigenes Risiko. Die Bank of England verfährt genauso. Das schafft unter den Marktteilnehmern Vertrauen, dass keines dieser Länder in Geldnöte kommen wird. Die Eurozone hingegen kennt keinen Kreditgeber letzter Instanz - die EZB ist kraft ihrer Statuten explizit unabhängig, nur der Preisstabilität verpflichtet und entzieht sich dem Zugriff der Politik.

Das schafft Verunsicherung: Woher würden Italien und Co. notfalls Kredite erhalten, wenn die Finanzmärkte diese nicht mehr bereitstellen sollten?

Skepsis der Märkte bleibt

Skeptiker haben stets gewarnt, dass eine Währungsunion eine Letztinstanz mit unbeschränkter Finanz-Feuerkraft brauche. Meist muss die von Ex-US-Finanzminister Hank Paulson beschworene "Bazooka" gar nicht abgefeuert werden. Es reicht, sie herzuzeigen. Der Effekt ist ähnlich der Einlagensicherung: Wenn die Sparer das staatliche Versprechen glauben, muss es der Staat nicht einlösen, um einen Ansturm auf die Banken zu verhindern.

Die Eurozone war freilich erst unter dem Druck der Krise gezwungen, sich mit diesen Fragen auseinanderzusetzen. Zuvor galt als eherne Regel, dass kein Land für die Schulden eines anderen bürgen dürfe. Mit drohender Pleite Griechenlands ließ sich dies nicht länger aufrechterhalten. Die Antwort waren die mehrfach ummodellierten und aufgestockten Rettungsschirme. Momentan liegen aber nur noch 250 Milliarden Euro im Euro-Rettungstopf EFSF - zu wenig, um Italien oder Spanien auf Dauer von den Finanzmärkten unabhängig zu machen. Deutschlands Finanzminister Wolfgang Schäuble versicherte am Dienstag in Wien, die Eurozone könne sich notfalls bis über das Frühjahr 2012 hinaus finanzieren.

Die Skepsis der Märkte bleibt aber. Zuletzt gab es deshalb Spekulationen, dass der Internationale Währungsfonds mit Hilfe von Notenbanken-Krediten aufmunitioniert werden könnte.

Die Eurozone hat einen schweren Rucksack zu tragen: Weil es den EU-Politikern bei ihren vielen Anläufen nicht gelungen ist, die Krise einzudämmen, hat die Währungsunion bei Investoren einen Misstrauensvorschuss. Dieser lastet wie Blei auf den Staatsanleihen, vor allem auf den italienischen. Die Woche hat mit dem gelungenen Auftritt des neuen Premiers Mario Monti zwar gut begonnen. Damit die extrem hohen Zinsen aber dauerhaft auf ein akzeptables Maß sinken, muss die Eurozone das Vertrauen der Anleger zurückgewinnen.

Vieldeutige Aussagen zu EZB

Die Hoffnungen, dass Merkel und Sarkozy unter dem Druck des Marktes massive Geschütze auffahren lassen, sind bisher nicht erfüllt worden. Eurobonds gelten als langfristige Option, das bestätigen bisher aber weder Berlin noch Paris offiziell. Und zur EZB äußerte sich Sarkozy zuletzt betont kryptisch: "Vertrauen in die EZB, Unabhängigkeit der EZB."

Somit steigt der Druck auf die EZB, die am Donnerstag zusammentritt. Dass die Währungshüter den Leitzins abermals auf ein Rekordtief (1,0 oder sogar 0,75 Prozent) senken werden, davon gehen die meisten Marktakteure wegen der Rezessionsgefahr fast fix aus. Auch dürfte die EZB die Geldschleusen für die Banken noch weiter aufmachen - und statt für maximal 13 Monate künftig für zwei oder sogar drei Jahre unbegrenzt Liquidität bereitstellen. Darüber hinaus wird aber ein Signal erwartet, ob die EZB ihre Staatsanleihenkäufe ausweitet, um die Zinsen niedrig zu halten. EZB-Präsident Mario Draghi hat Aktionen angedeutet - die Voraussetzung sei, dass die Staaten einen strengen "Fiskalpakt" beschließen.

Dass Draghi offiziell ankündigt, unbeschränkt Anleihen zu kaufen, verhindern die EZB-Statuten. Er könnte aber Taten sprechen lassen: Sollten die Investoren bemerken, dass die EZB die Anleihenrenditen für Italien und Co. über längere Zeit auf einem bestimmten Niveau hält (spekuliert wird über eine Obergrenze von 5 Prozent), so würden sie das als Commitment verstehen. Dann könnten die Anleger zu den italienischen Anleihen ebenso rasch wieder zurückkehren, wie sie zuvor die Flucht ergriffen haben.