Vorerst Baustopp für die Anlage. | Staatsanwalt leitet Strafanzeige ein. | Basel. Das Vorhaben war mit vielen Vorschusslorbeeren gestartet. Das Geothermie-Kraftwerk Kleinhünigen in Basel, wenige hundert Meter von der deutschen Grenze entfernt, sollte nicht nur elektrischen Strom für 10000 Haushalte und Wärme für 2700 Haushalte produzieren. Es sollte vor allem zeigen, dass die Energieproduktion aus Erdwärme an vielen Orten möglich ist. Moritz Leuenberger, Umweltminister und amtierender Bundespräsident der Schweiz, ist so stolz auf dieses Pilotprojekt gewesen, dass er im Juni Botschafter aus aller Welt auf die Basler Baustelle einlud.
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3,4 auf Richter-Skala
Doch seit knapp zwei Wochen steht die Zukunft des Kraftwerks in den Sternen. Am Freitag, den 8. Dezember, bebte in Basel und im angrenzenden Südbaden und Südelsass die Erde. Das Beben war mit einer Stärke von 3,4 auf der Richterskala deutlich heftiger, als es die Konstrukteure des Kraftwerks erwartet hatten. Am Wochenende darauf folgten zahlreiche weitere Beben, die allerdings schwächer ausfielen. Auch wenn keine Personen zu schaden kamen und der Sachschaden gering blieb, war der Schock in der Stadt mit ihren 200000 Einwohnern gross. Gerade erst hatte Basel den 650. Jahrestag des Erdbebens von 1356 gefeiert. Die Stadt liegt am geologisch aktiven Oberrhein und muss die Wiederholung solcher Beben fürchten.
Die Staatsanwaltschaft Basel leitete ein Verfahren wegen "Schreckung der Bevölkerung" ein. Die Arbeiten am Kraftwerk wurden eingestellt, bis geologische Gutachten vorliegen.
Das Kraftwerk ist das weltweit erste, dass das sogenannte "Deep-heat"-Verfahren einsetzen will, das "Verfahren der grossen Hitze". Dabei wird Wasser in den heissen Untergrund gepumpt, das sich dort aufheizt und an einer andern Stelle wieder abgepumpt wird. Die Konstrukteure machen sich dabei zunutze, dass das heisse Erdinnere im Oberrheingraben besonders nahe an die Erdoberfläche reicht. In Basel wird das Wasser in eine Tiefe von 5000 Metern geleitet. Der Untergrund ist dort 200 Grad heiss. Die Bohrungen wurden im Mai begonnen. In den Monaten darauf wurde Wasser unter hohem Druck in die Tiefe geleitet. Es soll dort vorhandene Risse öffnen, in denen sich Wasserreservoirs bilden können.
Bei der Öffnung der Risse wird Druck aufgebaut, der sich in kleinen Erdbeben abbaut. Die Konstrukteure hatten aber nur mit Beben unter 2 auf der Richterskala gerechnet. Im Frühjahr nächsten Jahres sollten die ersten Tests mit zirkulierendem Wasser stattfinden. Dieser Fahrplan dürfte jetzt kaum noch zu halten sein.
Die Kosten des Kraftwerks werden bisher auf 108 Millionen Franken (68 Millionen Euro) geschätzt. Hinter dem Projekt stehen die Kantone Baselstadt und Baselland sowie acht Energieunternehmen, darunter einige der grössten des Landes. Sie gehen davon aus, dass das Potenzial von Erdwärme so gross ist, dass damit in der Schweiz langfristig soviel Energie wie mit zwei kleinen Atomkraftwerke erzeugt werden kann.