Staatsoberhaupt über neue Hoffnung im Atomstreit, Nahost-Konflikt, Menschenrechte und das Blutvergießen in Syrien.
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"Wiener Zeitung": Wie sehen Sie die jüngsten Entwicklungen - Stichwort Präsidentenwahl, Charmeoffensive Rohanis und Annäherung im Atomstreit an den Westen - im Iran?
Ich habe mit Bedauern festgestellt, dass der frühere Präsident des Iran, Mahmoud Ahmadinejad, eine Linie verfolgt hat und eine Sprache gesprochen hat, die in vielfacher Hinsicht nicht akzeptabel war. Es hat Äußerungen gegenüber Israel und anderen Staaten gegeben, die man scharf zurückweisen musste. Und es sind auch politische Zielsetzungen formuliert worden, die besorgniserregend waren. Vor diesem Hintergrund ist das Auftreten des neuen iranischen Präsidenten Hassan Rohani sehr positiv zu bewerten. Es ist jetzt wieder eine Gesprächskultur hergestellt worden, die in den internationalen Beziehungen sehr wichtig ist. Es sind auch die Inhalte seiner politischen Äußerungen so, dass man sich ernsthaft damit auseinandersetzen kann und auch auseinandersetzen soll.
Am Montag haben der Chef der iranischen Atombehörde Ali Akbar Salehi und der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde Yukiya Amano endlich ein technisches Abkommen für den weiteren Fahrplan im seit zehn Jahren andauernden Konflikt unterzeichnet. Die Verhandlungen zwischen Teheran und dem Westen gehen am kommenden Wochenende in Genf weiter. Wie sehen Sie die Chancen für deren Erfolg?
Die Verhandlungen sind von allen Beteiligten als konstruktiv bezeichnet worden. Man darf in der Politik und auch im übrigen Leben den Tag nicht vor dem Abend loben. Es wird wichtig sein, wie die Verhandlungen jetzt weiterlaufen und ob sie zu einem für beide Seiten akzeptablen und positiven Ergebnis führen. Ich sehe die Chancen dafür intakt und freue mich allein schon über die Tatsache, dass ein konstruktiver Verhandlungsprozess stattfindet. Letzterer ist wichtig, weil ich den Grundsatz vertrete, dass besonders in den internationalen Beziehungen konstruktive Verhandlungen die beste Form zur Lösung von Problemen darstellen.
Stichwort Vertrauen. Es gab ein Manko an Vertrauen zwischen dem Iran und dem Westen. Zeigt nicht die Tatsache, dass ein Außenministerreigen nach Genf gereist ist, dass ein erster Schritt getan ist?
Ja. Die Frage des Vertrauens spielt in der Politik eine sehr, sehr wichtige Rolle. Die Entwicklungen der letzten sechs Monate haben bei vielen Verhandlungsteilnehmern und Staaten und übrigens auch bei Österreich einen Vertrauenszuwachs gebracht. Es gibt Staaten, die noch nicht bereit sind, das Wort Vertrauen auszusprechen, weil es noch Skepsis gibt, aber insgesamt ist das Vertrauen der europäischen Staaten in den guten Willen des iranischen Präsidenten und anderer wichtiger iranischer Funktionäre zweifellos gewachsen und ich nehme an, dass auch das Vertrauen des Iran in die Ehrlichkeit des Bemühens um eine gute Lösung auf der Seite der westlichen Verhandlungspartner zugenommen hat. Einen großen Sprung nach vorne würde es bringen, wenn tatsächlich eine schriftliche Vereinbarung zustande kommt.
Außenminister Mohammad Javad Zarif soll noch in diesem Jahr nach Wien kommen. Auch andere hochrangige Mitglieder der iranischen Regierung wie der Ölminister kommen bald nach Österreich. Könnte in absehbarer Zeit auch ein Besuch Rohanis hier erfolgen? Er wünscht sich ja, als erstes EU-Land Österreich zu besuchen, da seine Tochter hier lebt.
Ich begrüße die von Ihnen erwähnten geplanten Besuche von iranischen Regierungsmitgliedern in Österreich und in anderen europäischen Ländern. Wir sind mit dem iranischen Präsidenten in gutem Kontakt, wann und unter welchen Voraussetzungen und zu welchem Zeitpunkt eine Zusammenkunft zwischen dem iranischen Präsidenten und dem österreichischen Präsidenten also z.B. ein Besuch in Österreich möglich und richtig ist.
Österreich hat über 130 Jahre lange diplomatische Beziehungen zum Iran und wird vom Iran als "besonderer Freund" gesehen. Die Wirtschaft wird nach Jahren der Eiszeit vorangetrieben. Eine große Wirtschaftsdelegation soll bald aus Teheran kommen, auch eine österreichische Delegation fliegt nach Teheran, um Projekte im Bereich der Abfall- und Abwassertechnik zu realisieren. Sie selbst haben am Rande der UN-Generalversammlung mit Rohani gesprochen. Wie sehen Sie wirtschaftlich das österreichisch-iranische Verhältnis?
Wie Sie richtig sagen, bin ich am Rande der Generalversammlung zu einem 30-minütigen Gespräch mit Präsident Rohani zusammengetroffen. Der persönliche Kontakt ist eine positive und wichtige Tatsache. Die politischen und wirtschaftlichen Kontakte zwischen Wien und Teheran sollen für beide Seiten fruchtbar sein. Wobei wir hierbei europäische Solidarität nicht verletzen wollen, aber wir hoffen ja, dass die europäischen Staaten und auch Österreich zum Iran wieder zu einem vertrauensvolleren Verhältnis finden.
Viele Gruppierungen, z.B. "Stop the Bomb", kritisieren genau solche Kontakte zwischen österreichischen Politikern und ihren iranischen Kollegen, da sie meinen, dass ein Staat, der die Atombombe anstrebt, hofiert wird. Ist diese Kritik für Sie nachvollziehbar oder halten Sie das für übertrieben?
Ich nehme jedes sachliche Argument in der politischen Diskussion ernst. Ich nehme auch die Argumente von israelischer Seite ernst, aber das heißt nicht, dass jedes Argument richtig ist. Meines Erachtens sind jene Argumente richtig, die dazu führen, dass die Menschheit nicht von Atomwaffen bedroht wird - von welcher Seite auch immer. Weder von Atomwaffen des Staates A, noch des Staates B, noch des Staates C. In Bezug auf den Iran geht es darum, sicherzustellen, dass Atomenergie für friedliche Zwecke verwendet wird, aber dass der Atomwaffensperrvertrag glaubwürdig eingehalten wird.
Israels Ex-Botschafter Aviv Shir-On hat Sie dafür kritisiert, dass Sie bei Ihrer UN-Rede zwar lange und breit über den israelischen Siedlungsbau gesprochen hätten, den Iran und Syrien aber nur mit einem Satz erwähnten. Wie ist Ihr Verhältnis zum neuen israelischen Botschafter Zvi Heifetz und zu Israel?
Ich habe auch zu Israel ein positives Verhältnis. Ich glaube, dass die Menschen in Israel Anspruch haben, in Frieden und Sicherheit leben zu können. Ich glaube, dass man die Interessen des israelischen Volkes berücksichtigen muss und dass man die Interessen des palästinensischen Volkes berücksichtigen muss. Das weiß zum Beispiel Präsident Shimon Peres, den ich seit mehr als 30 Jahren kenne und schätze, sehr gut. Der scheidende israelische Botschafter hat kritisiert, dass in meiner letzten Neujahrsansprache an das diplomatische Corps die israelische Siedlungspolitik in mehr Worten und Zeilen berücksichtigt wurde als das Thema Syrien oder der Iran. Aber abgesehen davon, dass ich wirklich nicht anfange, Worte und Zeilen zu zählen in meinen Reden, hat er vergessen, dass die vielen Zeilen zum Thema der israelischen Siedlungspolitik deshalb zustande gekommen sind, weil ich sehr ausführlich den israelischen Staatspräsidenten Simon Peres zitiert habe mit seinen Äußerungen zur Siedlungspolitik. Und es ist bemerkenswert, dass ein Botschafter kritisiert, dass man seinen Staatspräsidenten in einer Rede zitiert. Ich wusste nicht, dass das als "unfreundlicher" Akt gesehen wird.
Ein heikles Thema sind die Menschenrechte, die im Iran oft mit Füßen getreten werden. Homosexuelle werden gehängt, Frauen benachteiligt und politische Aktivisten in Gefängnisse gesteckt. Staatssekretär Reinhold Lopatka, der erst jüngst dort war, meinte, dass man bei solchen Themen eher auf taube Ohren stößt im Iran. Sollte nicht gerade Österreich mit seinen ausgezeichneten Beziehungen auf diese Dinge hinweisen?
Die Frage ist sehr berechtigt und meine Antwort lautet: Ja. Gerade, wenn man eine gute Gesprächsbasis hat, hat man auch die Möglichkeit und die Verpflichtung, Anliegen wie den Kampf gegen die Todesstrafe, den Kampf um die Menschenrechte usw. in den Dialog einzubeziehen. Ich habe das früher getan und werde das auch in Zukunft tun.
Abschließend zur geplanten Syrienkonferenz: Sie haben sich immer dafür ausgesprochen, dass Iran an einer solchen Konferenz teilnimmt. Andere Staaten sind dagegen.
In Syrien ist schon so viel Blut geflossen und es besteht die Gefahr, dass weiter viel Blut fließen wird und daher ist solch eine Friedenskonferenz sehr wichtig. Es wird nützlich für diese Konferenz sein, wenn die Faktoren, die wichtig sind für eine politische Lösung, auch am Verhandlungstisch sitzen. Teheran von Verhandlungen auszuschließen, wäre schlicht und einfach ein Fehler, und in der Politik darf man keine Fehler machen.