Ex-RH-Präsident: Höchstens zwei Jahre Ermittlungen für große Verfahren. | Mehr Personal und bessere Ausbildung unverzichtbar. | Wien. "Es ist beschämend." So kommentiert Ex-Rechnungshof-Präsident und Richter Franz Fiedler die Unterbesetzung der Staatsanwaltschaften. Eklatant sichtbar wurde dies etwa im Fall der Hypo Group Alpe Adria, als die Deutschen mit sechs bis sieben Staatsanwälten auffuhren und die Klagenfurter Staatsanwaltschaft für diesen Fall einen einzigen aufzubieten hatte.
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Alleine ein Vergleich mit Deutschland mache die Mängel deutlich: In der Bundesrepublik kommen auf 100.000 Einwohner 6,2 Staatsanwälte, in Österreich kommen auf 100.000 Einwohner 2,6 Staatsanwälte.
Auch ein renommierter Wiener Wirtschaftswissenschafter, der nicht genannt werden will, führt die Dauer der Ermittlungen auf mangelnde Ressourcen zurück: "Bei der Buwog wurden 5000 Telefonate abgehört, das bedeutet einen riesigen Aufwand. Aber dann gibt es zu wenig Personal, um das alles rasch genug abzuarbeiten."
Generell würden sich manche aber auch "verzetteln" und Prominente zu Unrecht beschuldigen - bestes Beispiel seien etwa der Prozess gegen OMV-Chef Wolfgang Ruttenstorfer oder die Hausdurchsuchungen bei Wolfgang Fellner (Herausgeber von "Österreich").
"Sobald Prominente im Spiel sind, will man offenbar nicht den Eindruck erwecken, dass nicht scharf genug ermittelt wird." Am Ende würden aber sehr oft leere Kilometer stehen, sagt der Wirtschaftsprofessor.
Rund zehn große Wirtschaftsstrafverfahren sind derzeit in Österreich anhängig. Auffallend ist die lange Ermittlungs- und Verfahrensdauer. So etwa wurde im Fall Libro fast zehn Jahre lang ermittelt. Zwar gibt es keine Faustregel, wie lange die Ermittlungen höchstens dauern können, "aber sicher nicht so lange wie bei Libro", sagt Fiedler. "Ideal wäre, auch ein großes Wirtschaftsverfahren zumindest innerhalb von eineinhalb bis zwei Jahren zur Anklage zu bringen."
Fiedler macht vier Gründe für die unangemessen langen Verfahrensdauern verantwortlich:
* Dimension der Fälle. Die Wirtschaftskriminalität in Österreich hat eine Dimension angenommen, wie es sie früher nie gab. Die Komplexität der Verfahren ergibt sich auch aus den vielfachen internationalen Verflechtungen, die damit verbunden sind.
* Personalmangel. Seit der großen Strafprozessnovelle, die 2008 in Kraft getreten ist, ist die Staatsanwaltschaft Herr des Verfahrens. Die Gesamtlast der Ermittlungen liege bei der Staatsanwaltschaft ohne dass sich die Zahl der Mitarbeiter proportional zum Mehraufwand erhöht habe, kritisiert Fiedler. Insgesamt gibt es 350 Staatsanwälte, die jährlich unter anderen 800 Wirtschaftsfälle - davon 400 Finanzstrafsachen - betreuen.
* Korruptionsstaatsanwaltschaft unterbesetzt. Die neu geschaffene Korruptionsstaatsanwaltschaft, die ab September alle Wirtschaftsstrafsachen ab einem Schadensfall von fünf Millionen Euro übernimmt, hat derzeit nur sieben Staatsanwälte. Im Endausbau soll es dafür 40 geben, verspricht das Ministerium.
* Ausbildung mangelhaft. Vor allem in Angelegenheiten der Korruptionsbekämpfung sei die Ausbildung der Staatsanwälte unzureichend, worauf der Europarat in einer Studie schon 2008/2009 hingewiesen habe, sagt Fiedler. Aber immerhin versuche man derzeit, Abhilfe zu schaffen.
Insgesamt sieht der frühere RH-Präsident und derzeitige Präsident des Beirats von Transparency International Österreich Versäumnisse in der Justizverwaltung und bei Justizministerin Claudia Bandion Ortner.
Wenn, wie zuletzt eine Studie gezeigt hat, 60 Prozent der Österreicher das Vertrauen in die Justiz verloren haben, sei das erschütternd. "Da sollte man sehr rasch reagieren. In der Bevölkerung muss das Vertrauen da sein, dass die Justiz funktioniert", betont Fiedler. Es bestehe häufig der Eindruck, dass nicht alles unternommen wird, um rasch zu Entscheidungen zu gelangen. Wenn dieser Eindruck stimme, sei das fatal, wenn nicht, müsse die Kommunikation verbessert werden, rät Fiedler. Dann müsse eben vermittelt werden, warum manche Verfahren so lange dauern. Er hofft, dass mit der Umstrukturierung in der Presseabteilung des Justizministeriums diesbezüglich eine Verbesserung eintritt.
Mängel sieht Fiedler aber nicht nur in der Ressortführung. "Man kann sich Staatsanwälte nicht schnitzen." Nach dem Jusstudium braucht es weitere vier Jahre, um Staatsanwalt zu werden. Und schon in der vorausgehenden Richterausbildung, so Fiedler sollte mehr Wert auf Wirtschaftskriminalität gelegt werden.
Im Justizministerium verweist man darauf, dass die Staatsanwaltschaft "mit Hochdruck arbeitet". Verbesserungen verspricht man sich auch von der "Offensive gegen Wirtschaftskriminalität", die ab September in der Korruptionsstaatsanwaltschaft startet. Die Justizministerin verwahre sich jedenfalls dagegen, dass ihre Beamten pauschal verurteilt werden, sagte ihr Sprecher.
"Dass die Dinge oft so lange dauern, liegt nicht daran, dass die Staatsanwälte faul wären. Viele ermitteln wie wild", sagt auch der Wirtschaftsprofessor.