Nikolaus Berlakovich hat Gespür bewiesen, als er Katastrophensimulationen für Atomkraftwerke forderte und diese "Stresstests" nannte. Die Aufmerksamkeit war ihm sicher, deutsche TV-Sender sprangen sofort in den Hauptnachrichten auf das Thema auf.
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Das inflationär verwendete Vokabel kommt aus dem Finanzbereich: Die neue europäische Banken-Aufsichtsbehörde EBA wird heute, Freitag, ihre Stresstestpläne verkünden. Dass zentrale Parameter (welche Banken gestresst werden und wie das harte Eigenkapital definiert wird) vorerst offen bleiben, deutet auf heftige Kämpfe um nationale Eigeninteressen hin. Die nun jährlich stattfindenden Tests sind auch primär als politisches Spektakel zu sehen: Die Politik demonstriert Handlungsfähigkeit und Stärke gegenüber den in der Öffentlichkeit ohnehin diskreditierten Banken. Und die Ergebnisse sollen beruhigen. Auch wenn das niemand zugibt: Die Tests lassen sich natürlich so steuern, dass einige wenige Banken durchrasseln, der Schaden in Summe aber begrenzt bleibt.
Ökonomisch sind die Stresstests fragwürdig - aus drei Gründen. Erstens kennen die Aufsichtsbehörden ihre Banken ohnehin und sollten nicht auf diese Tests angewiesen sein, um die Folgen externer Schocks abzuwägen. Die Banken wiederum müssten schon durch die künftigen Regularien für Negativ-Ereignisse gerüstet sein - durch antizyklische Eigenkapitalregeln ("Basel III"), rigide Liquiditätsanforderungen und eine strenge Aufsicht. Wofür also zusätzliche Stresstests?
Ein legitimer Grund wäre, damit Transparenz und Vertrauen zu schaffen. Diese Chance wurde aber im Vorjahr verspielt; Europas Stresstests sind seither diskreditiert: Die maroden irischen Geldhäuser Bank of Ireland und Allied Irish Bank galten der Aufsicht im Juli 2010 als ausreichend belastbar. Wer sollte da noch an die Validität der Ergebnisse glauben?
Am Problem vorbei gezielt
Der dritte und gewichtigste Grund, an der Sinnhaftigkeit zu zweifeln: Jenes Szenario, das Investoren gleichermaßen erwarten wie fürchten, bleibt wohl ausgeklammert: die Pleite eines Eurolandes. Dafür müssten Abschläge auf die Staatsanleihen, welche die Institute im sogenannten Bankbuch halten, eingerechnet werden. Das soll aber wieder nicht geplant sein. Im Handelsbuch der Banken, wo im Zuge der Stresstests sehr wohl Abschläge durchgespielt werden, lauert hingegen kaum Gefahr: Dort liegen bei Europas Banken laut OECD-Studie nur 17 Prozent der problematischen Staatsanleihen.
Die Gründe, warum jenes Szenario, das für das Misstrauen im Markt hauptverantwortlich ist, unberücksichtigt bleibt, sind bei der Politik zu suchen: Umschuldungsszenarien für Griechenland oder Irland sind in der Eurozone tabu. Stresstests, die dies durchspielen würden, wären ein Eingeständnis, dass so etwas sehr wohl droht. Vielleicht käme diese bittere Wahrheit aber auch einfach zu früh.