CSU-Landwirtschaftsminister Schmidt brüskiert mit seinem Ja zu Glyphosat Kanzlerin und SPD.
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Berlin/Wien. Am Tag nach der Blamage will niemand etwas im Vorhinein gewusst haben. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel gab sich ebenso uninformiert wie die bayerische CSU. Deren Landwirtschaftsminister in Berlin, Christian Schmidt, ignorierte am Montag kurzerhand die Geschäftsordnung der Bundesregierung. Sein Vertreter in Brüssel stimmte für die Verlängerung des Pflanzengiftes Glyphosat um weitere fünf Jahre in der EU - obwohl innerhalb der derzeit nur geschäftsführend agierenden Regierung Dissens in der Frage herrscht. Während Schmidt Glyphosat befürwortet, ist Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) dagegen. Weil keine gemeinsame Linie gefunden werden konnte, enthielt sich die deutsche Regierung in der Vergangenheit bei Abstimmungen.
Handelte es sich bei der sogenannten GroKo zwischen Union und SPD um ein Auslaufmodell, wäre es ein Tritt vors Schienbein zum Abschied gewesen. Doch seitdem die Sondierungen für eine Jamaika-Koalition zwischen CDU, CSU, FDP und Grünen gescheitert sind, verfügt nur Schwarz-Rot über eine Mehrheit im Bundestag. Entsprechend verärgert sind die Sozialdemokraten, die ihren Genossen gerade langsam versuchen beizubringen, dass es womöglich nichts mit dem angesagten Gang in die Opposition wird. Noch dazu treffen am Donnerstag die drei Parteichefs Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Martin Schulz (SPD) den deutschen Präsidenten Frank-Walter Steinmeier.
Schon bei Bienen gepatzt
"Das entsprach nicht der Weisungslage, die von der Bundesregierung ausgearbeitet war", kritisierte die Kanzlerin ihren Minister am Dienstag. "Es ist etwas, was sich nicht wiederholen darf." Ansonsten sei ein "gedeihliches, gemeinsames Arbeiten in der Bundesregierung nicht möglich", erklärte Merkel, die sich in der Sache näher bei Schmidt als Umweltministerin Hendricks sieht.
Zwischen München und Berlin wird gerätselt, warum Schmidt diesen Alleingang zur Unzeit gesetzt hat. Es ist nicht die erste umstrittene Entscheidung des seit 2014 amtierenden Ministers. So lancierte er einst die Kampagne "Bienen füttern", Bienen-App für das Smartphone inklusive. Dann bereitete sein Ressort eine Verordnung vor, dank der möglicherweise bienenschädliche Insektizide wieder erlaubt werden sollten.
Sein nunmehriges Votum nahm Schmidt "auf die eigene Kappe". Ihm zufolge wäre die Glyphosat-Verlängerung um fünf Jahre ohnehin gekommen. Wenn nicht durch die Agrarminister, dann durch die Kommission. Schmidt hat entscheidend dazu beigetragen, dass die qualifizierte Mehrheit unter den EU-Ministern erreicht wurde. 16 Länder waren dafür notwendig. 18 votierten mit Ja, Österreich war unter den Gegnern. Doch müssen die Befürworter mindestens 65 Prozent der EU-Bürger vertreten - Deutschland ist das mit Abstand bevölkerungsreichste Land der Union.
Umweltministerin Hendricks entgegnete, es sei längst nicht gesagt, dass die EU-Kommission "diese schwierige politische Entscheidung" alleine gefällt hätte. Sie bezichtigt Schmidt, "für die Kommission die Kohlen aus dem Feuer geholt zu haben". Die Brüsseler Behörde war am Dienstag "zufrieden" mit der Abstimmung der Staaten. Sie wollte ursprünglich eine Verlängerung um zehn Jahre, basierend etwa auf der Expertise der EU-Chemikalienagentur ECHA. Demnach sei Glyphosat nicht krebserregend. "Wahrscheinlich krebserzeugend beim Menschen" lautet hingegen das Urteil der Agentur für Krebsforschung, die zur Weltgesundheitsorganisation WHO gehört.
Bereits Vorgänger musste gehen
Die Grünen forderten bereits Schmidts Entlassung. Noch hält die Kanzlerin zu ihrem Minister. Denn Schmidt steht nicht nur dem Landwirtschaftsministerium vor, sondern ist auch kommissarisch Verkehrsminister. Außerdem benötigt Merkel für die Ablösung die Zustimmung der CSU. Wie bei Hans-Peter Friedrich - Schmidts Vorgänger im Amt.