Kyprianou: Fortschritte der Gespräche enttäuschend. | "EU könnte die Türkei stärker unter Druck setzen." | "Wiener Zeitung": Vor etwa einem Jahr haben die Wiedervereinigungsgespräche in Zypern zwischen Präsident Dimitris Christofias und dem Führer der türkisch-zypriotischen Gemeinschaft, Mehmet Ali Talat, begonnen. Wie laufen die Verhandlungen?
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 15 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Markos Kyprianou: Bei den wichtigsten und schwierigsten Aspekten der Problemlösung liegen unsere Ansichten noch sehr weit auseinander. Daher sind wir ziemlich enttäuscht über die bisherigen Fortschritte.
Sind sie sich inzwischen zumindest über das Ziel der Verhandlungen einig? Die türkisch-zypriotische Gemeinschaft strebte ja eher eine Konföderation von zwei Staaten an, die zypriotische Regierung dagegen eine Föderation innerhalb eines Staates.
Das ausgewiesene Ziel ist klar: Wir wollen eine bizonale und bikommunale Föderation.
Da sind sie sich also einig?
Diese Formulierung findet sich in den Resolutionen des Weltsicherheitsrats und den EU-Dokumenten. Das Problem ist, dass die türkischen Zyprioten das zwar theoretisch als Ziel akzeptieren. Ihre Vorschläge weisen allerdings eher in Richtung einer Konföderation. Sie wollen so wenig wie möglich auf Bundesebene geregelt haben.
Immer wieder hört man vom Ziel einer Einigung bis Jahresende. Ist das realistisch?
Die Türkei verlangt das fortwährend, was nicht hilfreich ist. Wir müssen uns so viel Zeit nehmen, wie nötig ist; denn es geht um Qualität und nicht um Quantität. Wir würden eine Lösung im Übrigen am liebsten sofort haben. Man muss sich schließlich daran erinnern, dass wir die Opfer sind. Die griechisch-zypriotischen Flüchtlinge mussten ihre Heimat verlassen, haben ihre Besitztümer verloren, können nicht in ihre Häuser zurückkehren.
Werden die Verhandlungen nicht stets von immer neu auftauchenden Nebenschauplätzen blockiert? Beim nächsten Spitzentreffen am 10. September geht es zum Beispiel um den jüngsten Streit um die Zugangserlaubnis für griechisch-zypriotische Pilger zu einer Kirche durch die türkischen Zyprioten.
Das Konzept der Verhandlungen, die letztes Jahr gestartet wurden, ist, dass wir parallel zu den Gesprächen vertrauensbildende Maßnahmen wie die Öffnung von Übergängen setzen. Die Blockade der Pilger über den Limnitis-Übergang ist ein Beispiel, dass diese Maßnahmen von der anderen Seite boykottiert werden. Das wirft bei den griechischen Zyprioten die Frage auf: "Wenn wir der anderen Seite schon in so simplen Fragen wie der Zulassung von ein paar hundert Leuten für eine religiöse Zeremonie nicht trauen können, wie können wir ihnen dann bei den großen Problemen trauen?" Es sieht von außen vielleicht nur nach einen weiteren Zwischenfall aus - aber es verursacht Probleme für den gesamten Verhandlungsprozess.
Der amtierende EU-Ratsvorsitzende Carl Bildt hat angekündigt, die Zypern-Frage ins Zentrum der EU-Politik zu rücken. Hat das bisher irgendwelche praktischen Auswirkungen gehabt?
Weil die andere Seite der EU nicht zutraute, objektiv zu sein, ist diese nicht direkt an den Gesprächen beteiligt. Die Union könnte aber stärkere Botschaften senden, um die Türkei zu beeinflussen, die ihr ja beitreten will. Denn es handelt sich um ein internationales Problem einer Invasion und einer Besetzung. Daher ist auch die UNO eingebunden und für die Türkei nicht nur eine Verpflichtung gegenüber dem Völkerrecht sondern auch der EU, sich bei der Lösung des Zypern-Problems aktiv konstruktiv zu verhalten und keine öffentlichen Aussagen zu machen, die das Verhandlungsziel untergraben.
Meinen Sie damit Aussagen wie jene des türkischen Außenministers Ahmet Davutoglu vom Wochenende, dass die EU Zypern drängen soll, kompromissbereiter zu sein, um die Verhandlungen zu beschleunigen?
Das kann ich noch als taktische Aussage akzeptieren. Eine Drohung hier und da sind wir von der Türkei ja gewohnt. Doch Ankara bezieht sich weiterhin auf eine neue Partnerschaft zweier Gründerstaaten und das bedeutet eine Konföderation. Damit widersprechen sie öffentlich dem vereinbarten Ziel der beiden Seiten.
Hat es während des letzten Jahres Verbesserungen in den Beziehungen mit der Türkei gegeben?
Nein, sie sind schlechter geworden. So will die Türkei Zypern nicht erlaube, die Öl- und Gasreserven auf ihrem Festlandsockel zu fördern, obwohl uns das nach dem internationalen Seerecht zusteht. Sie versucht uns in allen internationalen Organisationen zu blockieren und beim Zugang für zypriotische Schiffe zu türkischen Häfen gibt es keine Fortschritte.
Der Zypern-Konflikt
Zypern ist politisch geteilt. Der griechische Südteil ist seit 2004 Mitglied der EU. Der Nordteil der Mittelmeerinsel steht unter Kontrolle der Türkischen Republik Nordzypern und wird international lediglich von der Türkei anerkannt. Dieser Teil Zyperns wurde 1974 von Ankara gewaltsam annektiert. 2008 beschlossen beide Seiten, Verhandlungen über eine Vereinigung der Insel zu beginnen.
Zur PersonMarkos Kyprianou (49) ist Außenminister Zyperns. Zuvor war er EU-Kommissar in Brüssel. Er ist der Sohn von Spyros Kyprianou, des zypriotischen Präsidenten von 1977 bis 1988.