Infrastruktur in kleineren Gemeinden pro Kopf oft teurer. | Finanzausgleich sollte in Zukunft "aufgabenorientiert" abgewickelt werden. | Wien. Es wird immer mehr ältere Menschen geben, immer mehr Single-Haushalte, Bevölkerungswachstum nur noch durch Zuwanderung. Ballungszentren werden wachsen bei gleichzeitiger Landflucht, und die regionalen Unterschiede werden immer größer. So sieht die Zukunft Österreichs bis zum Jahr 2050 aus. An dieses Szenario müssen sich die öffentlichen Leistungen und die Verwaltung anpassen. Wo entsteht welcher Bedarf, welche Herausforderungen kommen auf die öffentliche Verwaltung zu?
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Antworten auf diese Fragen versuchte das KDZ - Zentrum für Verwaltungsforschung, ein Kompetenzzentrum für Öffentliches Management und Verwaltung, in einer Vortragsreihe in Wien zu finden. Schwerpunkte waren: das demografische Zukunftsszenario mit dem Demografie-Experten Rainer Münz sowie Lösungsansätze von KDZ-Geschäftsführer Peter Biwald.
Österreichs Bevölkerung wird von derzeit 8,3 Millionen Menschen bis 2050 auf rund 9,5 Millionen wachsen. "Dieses Wachstum hängt nur an der Zuwanderung, und die wird vor allem aus EU-Ländern kommen", betonte Demografie-Experte Rainer Münz. Die Hauptmotive der Zuwanderer: Studium und Arbeit, es werden also überwiegend jüngere Menschen sein.
Die großen Probleme entstehen durch das zunehmende regionale Ungleichgewicht. Wachstumsregionen mit gleichzeitig größerem Anteil an jüngeren Menschen: Vor allem Wien und Umgebung bis an die Grenze zur Slowakei, bis Wiener Neustadt und ins nördliche Burgenland, die Ballungsgebiete um Graz und um Linz sowie das Rheintal in Vorarlberg. In geringerem Maß wachsen werden Salzburg und Umgebung bis ins angrenzende Oberösterreich, das Inntal sowie Klagenfurt und Umgebung.
Den größten Aderlass an Menschen werden erleiden: in Niederösterreich das nördliche Waldviertel, in der Steiermark das obere Murtal und das obere Mürztal, in Kärnten vor allem das Lavanttal und westliche Landesteile. Kärnten wird das einzige Bundesland sein, das insgesamt Bevölkerung einbüßt. In den schrumpfenden Landesteilen und Regionen wird auch die Bevölkerung eher überaltern als in den Wachstumsregionen.
Zusammenlegung von Gemeinden als Ausweg
Die Konsequenzen sind: Die Kosten für Infrastruktur wie Straßenerhaltung, für öffentliche Dienstleistungen, für Schulen, Kranken-, Kinder- und Altersversorgung bleiben in den schrumpfenden Regionen noch lange Zeit gleich hoch, während die Zahl der Einwohner und damit die der Beitragszahler sinkt. "Kostenremanenz" nennt das KDZ-Geschäftsführer Peter Biwald und fordert Anpassungen. Die reichen von Kooperationen und Fusionen auf Gemeindeebene über eine Neudefinition der öffentlichen Aufgaben über mehr Flexibilität der öffentlich Bediensteten bis hin zu einem gründlichen Umbau des Finanzausgleichs.
An öffentlichen Aufgaben definiert Biwald zunächst Basisaufgaben der Gemeinden, wie etwa das Bauamt oder das Meldeamt. Gemeinden haben darüber hinaus Sonderlasten zu tragen, wie Schulen, Kindergärten, Krankenversorgung und Altersversorgung. Schließlich haben zentrale Orte weitere Aufgaben, wie die Bezirksverwaltung, Kultureinrichtungen wie Theater, Freizeitangebote wie Bäder oder Sportplätze sowie öffentlichen Nahverkehr.
Schweizer Verhältnisse mit Vorbildwirkung
All diese Aufgaben wären je nach Gemeinde aufzulisten und über einen neuen Finanzausgleich zu finanzieren, einen "aufgabenorientierten Finanzausgleich", der vom derzeit gültigen Bevölkerungsschlüssel wesentlich abweichen müsste. "Wir in Österreich haben dazu erst Studien, aber in der Schweiz funktioniert das schon", sagt Biwald.
Mit einer anderen Bevölkerungs- und Altersstruktur in einer Region müssten auch die Bediensteten flexibler werden. "Man kann einen Kindergarten zu einem Seniorenwohnheim umbauen, aber wie man aus einer Kindergärtnerin eine Altenpflegerin macht, dafür habe ich noch keine Lösung", räumt er ein. Das reicht von der Ausbildung über das Dienstrecht bis hin zum Wohnort. Anzustreben wäre eine gebietsübergreifende Arbeitsagentur für öffentliche Dienstleistungen.
Einen zumindest heute noch unkonventionell klingenden Vorschlag zur Erhaltung der Landschaft bei zunehmender Landflucht machte Rainer Münz: "Man könnte Migranten, die in ihrer ursprünglichen Heimat am Land gelebt haben, ja bei uns wieder eine Existenz am Land anbieten, bevor Bauernhöfe verfallen. Mit der neuen EU-Agrarförderung müsste das zu machen sein." Aber auch die Wachstumsregionen sind verwaltungstechnisch keine Selbstläufer, obwohl mit der Zuwanderung die Zahl der Beitragszahler zu den öffentlichen Leistungen zunimmt. Zuzug wird es ebenso geben wie Abwanderung. Man sollte Trendumbrüche früh erkennen und zum Beispiel bei den Flächenwidmungsplänen reagieren. Ebenso wäre eine aktive Integrationspolitik eine wichtige Aufgabe.
Die Schlussfolgerungen: Die "Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in Stadt und Land" werden zunehmend in Frage gestellt. Eine differenzierte Versorgung ist unvermeidlich. Allerdings, so Biwald, müsse als Ausgleich für eine angemessene Verbindung zwischen Zentren und der Peripherie gesorgt werden.