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Verwaltung: Warten auf die Reform

Von WZ Online

Politik

er Präsident des Verfassungsgerichtshofes (VfGH), Gerhart Holzinger, fordert die Regierung auf, bei der seit Jahren angekündigten Verwaltungsreform endlich Nägel mit Köpfen zu machen. "Der Worte sind genug gewechselt, lasst mich endlich Taten sehen", sagt Holzinger im APA-Interview.


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Der Politik empfiehlt Holzinger eine Neuausrichtung der immer noch unter dem Titel "innere Sicherheit" abgehandelten Ausländerpolitik. Die Migration betreffe mittlerweile verschiedenste gesellschaftliche Bereiche, daher wäre es überlegenswert, das Thema woanders anzusiedeln. "Ein Sicherheitsthema ist das nur am Rande."

Zur Umsetzung der Verwaltungsreform hat die Koalition eine neue Arbeitsgruppe angekündigt. Holzinger geht jedoch davon aus, dass sich erste große Projekte auch ohne neue Expertengruppe umsetzen lassen. Konkret nennt er die Reform der Verwaltungsverfahren und der Schulverwaltung. Hier habe es im Österreich-Konvent und unter der vorigen Regierung intensive Vorarbeiten gegeben, so Holzinger: "Da fehlt es nicht an Expertise, da braucht man meines Erachtens keine Arbeitsgruppe dazu, sondern das muss man schlicht und einfach machen."

Bei der Schulverwaltung könnte das komplizierte Nebeneinander von Bundes- und Landesbehörden entflochten und durch "Bildungsdirektionen" in den Ländern ersetzt werden. Die neuen Verwaltungsgerichte sollen die Qualität der Verwaltungsverfahren steigern. "Aus rechtsstaatlicher Sicht ist das längst überfällig", betont Holzinger und verweist auf eine seit Jahrzehnten laufende Debatte über die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Da Thema sei jedenfalls gut vorbereitet. "Das ist im Fußballjargon ein aufgelegter Elfmeter, das kann man sofort realisieren", betont Holzinger. "Das einzige, was noch nicht da ist, ist der Mut zur verfassungspolitischen Tat."

Die fehlende Verfassungsmehrheit im Nationalrat sieht Holzinger nicht als Hindernis. "Das ist eine Frage des politischen Prozederes: Wenn man keine Verfassungsmehrheit hat, dann sucht man sich eine", verweist er auf Verhandlungsmöglichkeiten mit gleich mehreren Oppositionsfraktionen im Parlament. Wenig Zuversicht hat der oberste Verfassungsrichter aber, was eine große Reform der Aufgabenverteilung von Bund, Ländern und Gemeinden angeht. Zwar sei der Abbau von Doppelgleisigkeiten in Teilbereichen (etwa der Schulreform) rasch möglich, aber: "Auf dem Gebiet der Reform der Kompetenzverteilung erwarte ich mir nicht, dass man zu einer großflächigen Reform kommt."

Skeptisch ist Holzinger auch, was den im Regierungsprogramm angekündigten "übersichtlichen Grundrechtskatalog" angeht. Er meint zwar, dass ein einheitlicher Grundrechtskatalog "aus Gründen der Verfassungsästhetik" besser wäre, warnt aber vor unerwünschten Nebenwirkungen beim Zusammenfassen der derzeit zersplitterten Gesetzestexte (u.a. Menschenrechtskonvention, Staatsgrundgesetz von 1867). Im Bereich der Grundrechte könne nämlich jede noch so kleine Änderung des Textes schon eine inhaltliche Änderung bedeuten, so der VfGH-Präsident.

"Das Ganze schaut zwar nicht sehr schön aus, weil es Flickwerk und Stückwerk ist, aber in Summe ist die Grundrechtssituation in Österreich natürlich eine sehr gute", betont der VfGH-Präsident. Daher sollte man sich die Erstellung eines einheitlichen Grundrechtskatalogs "ersparen" und nur die derzeit fehlenden sozialen Grundrechte in die Verfassung aufnehmen. Er sei dagegen, "neue Großprojekte zu installieren, die im Grunde genommen nichts anderes bedeuten, als dass man Dinge, die es eh schon gibt, abschreibt."

Außerdem drängt Holzinger darauf, den Zugang einfacher Bürger zum Verfassungsgerichtshof zu erleichtern: Wer von einem Gericht aufgrund eines mutmaßlich verfassungswidrigen Gesetzes verurteilt wird, kann gegen dieses Gesetz keine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof einlegen, sondern ist auf eine entsprechende Initiative des Gerichtes angewiesen. Für Holzinger ist diese Situation "nicht befriedigend". Er will, dass sich künftig auch die Verfahrensparteien in Zivil- und Strafprozessen mit einer "Gesetzesbeschwerde" an den VfGH wenden können.

(APA)