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Verwaltungsgericht will Vorabentscheidung zur Klärung der EU-Konformität erreichen

Von Alfred Abel

Wirtschaft

Diesmal ist alles anders. Der Verfassungsgerichtshof, der sich schon mehrmals an der Mindestkörperschaftsteuer gerieben hatte, sah nun "keine hinreichende Aussicht auf Erfolg" und schob den ihm | vorliegenden Beschwerdefall an den Verwaltungsgerichtshof weiter. Dort waren schon mehrere Versuche, die Sache dem Europäischen Gerichtshof vorzutragen, abgeblockt worden. Jetzt waren die Bedenken | der Verwaltungsrichter aber offenbar stärker. Sie entschlossen sich zu dem Schritt, der die ungeliebte Mindeststeuer der heimischen Kapitalgesellschaften letztlich doch aus den Angeln heben könnte.


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Diese Mindest-KöSt hat schon eine bewegte Vergangenheit. Sie wird immer dann vom Fiskus erhoben, wenn die AGs oder GesmbHs ein bestimmtes Mindesteinkommen (ab dem der normale

Körperschaftsteuertarif zupackt) nicht erreichen oder wenn sie in den roten Zahlen sind (und deshalb überhaupt keine Ertragsteuer schulden würden).

Im Jahr 1996 · dem Jahr der vorletzten Novellierung dieser Steuer · betrug die Mindest-KöSt 3.750 Schilling je Vierteljahr. Ab dem 4. Quartal 1997 beträgt sie 5% des gesetzlichen

Mindestnominalkapitals; nur für Neugründungen gibt es in den ersten 12 Bestandsmonaten eine Reduktion.

Steuer als "Kapitalabgabe"

Die Steuer selbst ist · so liest man im Gesetz · als Vorauszahlungssteuer angelegt. Will heißen: Wenn die Gewinne der Gesellschaften irgendwann später über den Mindestlevel hinausreichen (und dann

der normale KöSt-Tarif einsetzt), kann die in den Vorjahren bezahlte Mindest-KöSt wie eine Vorauszahlung angerechnet werden. Die Steuer ist also vortragsfähig und zwar ohne zeitliches Limit.

Wenn eine Gesellschaft allerdings (aus welchen Gründen immer) ständig unter dem Mindestgewinn-Pegel herumkrebst oder gar ständig rote Zahlen schreibt, dann wird die Mindest-KöSt zur festen

Pauschalsteuer. Sie verliert den Charakter einer · ohnehin umstrittenen · "Ertragsteuer" (weil sie ja keine Erträge besteuert) und wird zur Kapitalsteuer.

KöSt "Etikettenschwindel"?

Sie wird zu einem "Etikettenschwindel", findet der Wiener Finanzwissenschafter Friedrich Fraberger, weil sie · solcherart zur Fixabgabe mutiert · dem EU-Gemeinschaftsrecht entgegensteht. In einer

breit angelegten Analyse zerzaust der Experte Funktion und Wirkungsweise des Obolus der heimischen Kapitalgesellschaften, skizziert gleich auch eine einschlägige höchstgerichtliche Musterbeschwerde

dagegen und animiert betroffene Gesellschaften zu ähnlichen Schritten.

Da ist ihm freilich der Verwaltungsgerichtshof inzwischen zuvorgekommen. Die Richter haben sich nämlich überraschenderweise doch entschlossen, die Frage, ob die heimische Mindest-KöSt tatsächlich

"gemeinschaftsrechtswidrig" ist, dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorzulegen; zur Entscheidung, ob die österreichische Steuerspezialität EU-rechtens ist oder nicht. )

EuGH-Vorabentscheidung

Warum sie nicht EU-rechtens sein könnte, wird dabei vor allem aus der bereits beschriebenen Besonderheit der Abgabe abgeleitet, daß sie · obgleich direkte Steuer · von der Einkommenserzielung der

Gesellschaft eigentlich unabhängig zu entrichten ist. Gesellschaften, die mit ihren Jahresgewinnen langzeit innerhalb der Kleinbetragsgrenze bleiben oder langzeit verlustträchtig sind, haben auch von

der (späteren) Anrechnungsmöglichkeit der "Vorauszahlung" nichts. Für diese Unternehmen ist die Steuer eine Belastung, die bloß an ihrer Rechtsform hängt und die sie bezahlen müssen, weil sie eben

Kapitalgesellschaften sind.

Eine derartige "Kapitalgesellschaften-Steuer" gibt es jedoch schon, auch in Österreich; sie heißt Gesellschaftsteuer und besteuert die Kapitalzuführungen dieser Unternehmungen. Darf es zwei einander

ähnelnde Abgaben auf die Ansammlung von Kapital geben?

Gesellschaftsteuer

Die Lösung dieser Frage findet sich in jener Gemeinschafts-Richtlinie, die den freien Kapitalverkehr im Binnenmarkt fördern will und daher von allen Mitgliedsstaaten fordert, Abgaben, die der

Gesellschaftsteuer ähnlich sind, aufzuheben, jedenfalls nicht zu vermehren. Es soll vermieden werden, Steuern von Gesellschaften nur wegen deren Rechtsformen oder wegen deren Kapitalausstattungen

oder aus anderen Formalitäten (etwa Eintragung ins Firmenbuch) zu erheben.

Nun knüpft die heimische Mindest-KöSt zwar nicht an die Kapitalzuführung, auch nicht an die Gesellschaftsgründung an sich oder etwa an die Protokollierung an. Sie könnte jedoch als spezielle ·

einkommensunabhängige · Abgabe angesehen werden, die auf die Rechtsform der Gesellschaft · also an das eigentliche Instrument der Kapitalansammlung · abstellt. Daß sie dabei nicht gleich bei der

Gründung der Gesellschaft erhoben wird, sondern später · im weiteren Bestandsverlauf des Unternehmens · spielt keine Rolle.

Chancen und Skepsis

Läßt sich aus dieser Argumentationskette eine Gemeinschaftsrechtswidrigkeit der Mindest-KöSt ableiten? Heimische Steuerexperten geben diesen Schlußfolgerungen gute Chancen, räumen aber auch ein,

daß selbst im Falle des Obsiegens mit einer ersatzlosen Aufhebung der Mindest-KöSt kaum zu rechnen sein dürfte. Wenngleich dieser Steuer stets ein ordnungspolitisches Motiv unterlegt wurde, darf der

fiskalische Effekt nicht bagatellisiert werden und würde mit großer Wahrscheinlichkeit die Steuererfinder des Staatshaushalts ein Äquivalent kreieren lassen.

In zwei Jahren · solange muß bis zu einem Schiedsspruch des EuGH gerechnet werden · werden wir vermutlich ein Aha-Erlebnis haben.

)VwGH Zl. 98/13/0088 v. 17.3.1999