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Verwässerter Rechtsschutz

Von Matthias G. Bernold

Politik

Bevor morgen, Mittwoch, der Unterausschuss des Nationalrats zusammentritt, um die Reform des strafprozessualen Vorverfahrens zu diskutieren, legten gestern nochmals die Rechtsanwälte ihren Standpunkt dar. Tenor dabei: Die vorliegende Regierungsvorlage biete zu wenig Rechtsschutz.


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"Wir haben uns diese Reform gewünscht und sie immer begrüßt - aber mit dem, was jetzt beschlossen werden soll, sind wir ganz und gar nicht einverstanden," erklärten unisono Elisabeth Rech, Strafrechtsspezialistin der Rechtsanwaltskammer, und Richard Soyer, der Sprecher der Vereinigung der Strafverteidiger.

Die Polizei habe weitreichende Möglichkeiten, die Zuziehung eines Anwalts durch den Beschuldigten im Vorverfahren zu umgehen, beklagte Rech, die sich dafür aussprach, einen anwaltlichen Notdienst einzurichten. Rech: "Ein Beschuldigter muss die Möglichkeit haben, rund um die Uhr einen Verteidiger zu erreichen." Ohne diese Einrichtung sei das Gleichgewicht zwischen Verfolgung und Verteidigung gestört. Soyer unterstrich die Bedeutung der StPO-Reform als "Jahrhundertwerk, das die Weichen stellt für das nächste Jahrtausend". Er habe den Eindruck, dass man mit der Regierungsvorlage gegenüber den Forderungen der Polizei in die Knie gegangen sei. Soyer: "Dabei ist es ein Irrtum, dass eine schwache Verteidigung die Wahrheitsfindung fördert." Außerdem sollte die Verwahrungshaft auf 12 Stunden limitiert werden.

Seit 1998 sei der Rechtsschutz scheibchenweise im Entwurf beschnitten worden: "Dass der erste Verteidigerkontakt überwacht werden kann, ist nicht akzeptabel." Dieses Gesetz, prognostizierten Rech und Soyer, werde vor dem Menschenrechtsgerichtshof in Strassburg nicht halten.

ÖVP-Justizsprecherin Maria Fekter kündigte an, dass die Reform möglicherweise nicht im Herbst sondern erst im nächsten Frühjahr vom Nationalrat beschlossen wird.