Nachdem die Prager Regierungskrise am Donnerstag in aller Frühe als gelöst galt, war Stunden später alles wieder anders. Die Sozialdemokraten lehnten ein angeblich geschlossenes Abkommen ab, zwei Minister traten zurück.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 19 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
"Was geht in Premier Stanislav Gross vor?" Diese Frage stellen sich immer mehr Menschen in der Tschechischen Republik. Nachdem sich der junge Regierungschef immer tiefer in einen Immobilien-Skandal verstrickt hatte, sah es am Donnerstag so aus, als wäre die daraus resultierende Regierungskrise überwunden. Gross war mit den Parteichefs der Christlichsozialen und der Liberalen vor die versammelte Presse getreten und hatte erklärt, man sei zu einem Kompromiss gelangt, der die Arbeitsfähigkeit der Regierung bis zum Sommer 2006 gewährleisten solle. Man wolle ein lockeres, pro-europäisches Bündnis eingehen, hieß es. Die Sozialdemokraten hätten sich dazu verpflichtet, keine Allianzen mit den Kommunisten zu bilden. Neuer Regierungschef sollte EU-Botschafter Jan Kohout werden.
"Keine Einigung"
Einige Stunden später war von einer Einigung aus Sicht der Sozialdemokraten nicht mehr die Rede. Der Parteivorstand und der Abgeordneten-Club lehnten das Abkommen auf Empfehlung von Gross ab. Die Begründung: Jene Christdemokraten, die bei einem Misstrauens-Votum vor einigen Tagen gegen die Regierung gestimmt hätten, dürften im neuen Kabinett nicht vertreten sein. Der Premier, der den vorgeblichen Kompromiss zuvor der Presse präsentiert hatte, bestritt sogar, dass es einen solchen je gegeben hätte. Man habe sich nur auf "grundlegende Punkte" einer Vereinbarung für eine Zusammenarbeit geeinigt.
Justizminister Pavel Nemec und Verteidigungsminister Karel Kühnl, beide von den Liberalen, reichten daraufhin ihre Demission ein. Sie befürchteten, bald einer Regierung anzugehören, die auf die KP angewiesen ist. Damit sind bereits sieben Minister aus dem Kabinett Gross rücktrittswillig, sie sind allerdings zur Weiterarbeit verdammt. Denn Präsident Vaclav Klaus, mittlerweile höchst verärgert, ist unter den derzeit herrschenden Umständen nicht bereit, die Minister ziehen zu lassen. Er will verhindern, dass Stanislav Gross eine Minderheitsregierung unter Duldung der Kommunisten bildet. Klaus pocht auf eine Neuauflage des Drei-Parteien-Bündnisses oder vorgezogene Wahlen. Von Gross, der vor dem Platzen der Einigung zu einem Gespräch im Hradschin war, fühlt sich Klaus "betrogen".
Neuwahlen
Fragt sich nur, worauf Gross mit seinem Zick-Zack-Kurs eigentlich hinaus will. Möglich ist, dass er die Verhandlungen über ein neues Kabinett bewusst in die Länge zieht, um dann doch eine Minderheitsregierung zu bilden. Später könnten dann Neuwahlen folgen. Stanislav Gross selbst streitet solche Überlegungen freilich ab.