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Verwirrung allerorten

Von Ernest G. Pichlbauer

Gastkommentare
Dr. Ernest G. Pichlbauer ist unabhängiger Gesundheitsökonom und Publizist.

Man wird nicht recht schlau: Sind die Kassen nun saniert oder nicht? Ist die Gesundheitsreform eine Reform oder nicht? Hilft sie sparen oder nicht?


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Man sagt, zwischen 2010 und 2013 haben die Kassen um 2,671 Milliarden Euro weniger ausgegeben, als sie selbst prognostiziert hätten; das sind gleich 946 Millionen Euro weniger als mit der Regierung vereinbart. Zudem sind die Kassen jetzt fast schuldenfrei.

Jedoch wird auch vermeldet, dass die Gebarungsergebnisse vieler Krankenkassen ohne außerordentliche Steuer-Geschenke weiterhin tiefrot sind, also die ordentlichen Beitragseinnahmen bei weitem nicht die Ausgaben decken. Die Ärztekammer nennt die Sanierung der Kassen sogar eine "angebliche" und spricht, von einem "Propagandatrick".

Allerdings erst seit kurzem. Denn die gleiche Kammer betonte zwei Jahre lang, dass es vor allem die Leistung der Kassenärzte gewesen sei (moderate Honorarforderungen und strengste Disziplin bei der Verschreibung der Medikamente), die diese Sanierung ermöglichte. Was war da jetzt die Leistung, wenn das alles doch nur Propaganda war? Und warum ist seit Montag doch wieder zu hören, dass die Sanierung geglückt und "genug gespart" sei - die Kassen daher gefälligst wieder mehr für Kassenärzte ausgeben sollen.

Und dann ist da der Rechnungshof, der heftige und von der Ärztekammer geteilte Kritik an der Gesundheitsreform übt.

Da wird einmal kritisiert, dass es zu keiner Kompetenzbereinigung kommt. Das stimmt, aber eine solche Kompetenzbereinigung - Stichwort: Finanzierung aus einer Hand - ist nur über eine Verfassungsreform möglich, und diese wiederum benötigt eine Zweidrittelmehrheit. Es ist schon sehr fraglich, ob wir mit einer Reform wirklich warten sollten, bis eine solche wieder einmal in Regierungshänden liegt. Und weil die Schöpfer der Reform eben nicht warten wollten, haben sie sich der alten Sozialpartnerregel "Vertrag vor Gesetz" bedient. Es mag dem Rechnungshof und liberal denkenden Menschen nicht gefallen, dass Pflichtkammern über Verträge den Staat aushebeln können, aber dass gerade die Ärztekammer sich in ihrer Kritik bestärkt sieht, verwundert, ist ihr "Vertrag vor Gesetz" doch besonders heilig - Stichwort: Kassenvertrag statt "Staatsmedizin".

Doch auch ein anderer Punkt erstaunt.

Da meint der RH, die Reform ist in ihren Sparzielen alles andere als ambitioniert, weil die erlaubten 3,6 Prozent Ausgabenwachstum pro Jahr höher liegen als die Wachstumsraten der letzten drei Jahre, die Reform also eine Kostensteigerung und keine Kostendämpfung verspricht. Auch in diesem Punkt fühlt sich die Ärztekammer merkwürdigerweise bestätigt, obwohl sie seit Monaten herumläuft und erklärt, die geplante Reform sei eine Kaputt-Spar-Reform, die sage und schreibe elf Milliarden Euro einsparen soll. Sehr verwirrend das alles.

Ach, was würde ich darum geben, wenn sich die Ärztekammerfunktionäre auf den Hosenboden setzten und über konkrete Versorgungsziele und konkrete Versorgungsstandards konkreter Patientengruppen nachdächten (solche sollen nämlich am 30. Juni beschlossen werden), statt bei Zahlenspielchen mitzumachen, die einen konkreten Patienten ohnehin nicht interessieren.