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Verwirrung um Rückzug Gbagbos

Von Klaus Huhold

Politik

Niederlage von Gbagbo scheint | nur Frage der Zeit. | Heftige Kritik am Eingreifen der UNO in den Konflikt. | Abidjan. In der Elfenbeinküste herrschte am Dienstag Verwirrung um einen vermeintlichen Rückzug von Laurent Gbagbo. Die UNO hatte zunächst verkündet, dass Gbagbo, der Verlierer der Präsidentenwahl, kurz vor der Kapitulation stehe. Der 65-Jährige habe bereits seine Bereitschaft zur Aufgabe ausgedrückt und um Schutz bei der UNO angesucht.


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Damit wäre der Bürgerkrieg in dem westafrikanischen Land, der mindestens 1500 Todesopfer gefordert hat, endgültig beendet und der Weg für den international anerkannten Wahlsieger Alassane Ouattara zum Präsidentenamt frei gewesen.

Doch am Dienstagabend kam dann das Dementi von dem als starrköpfig verschrieenen Gbagbo. In einem Telefoninterview mit dem französischen Fernsehsender LCI betonte er, dass lediglich über einen Waffenstillstand verhandelt werde. Er betrachte sich aber weiterhin als rechtmäßiger Präsident der Elfenbeinküste. "Ouattara hat die Wahl nicht gewonnen", sagte er. Er habe eine entsprechende Forderung der UNO und Frankreichs abgelehnt.

Doch laut Beobachtern hat Gbagbo kaum noch Chancen, aus dem Machtkampf siegreich hervorzugehen. Denn sowohl politisch als auch militärisch ist er extrem in die Defensive geraten. Nicht nur hat ihn die internationale Gemeinschaft mit Sanktionen belegt, auch brachten die Truppen von Ouattara die Einheiten Gbagbos in Bedrängnis. Ouattaras Soldaten kontrollieren schon weite Teile des Landes und griffen am Dienstag erneut wichtige Stützpunkte Gbagbos in der Metropole Abidjan an, am Abend flauten dann die Kämpfe ab.

Zuletzt hatten auch französische und UN-Truppen auf der Seite Ouattaras eingriffen. Sie hatten Montagabend die Residenz Gbagbos, den Präsidentenpalast sowie zwei Militärstützpunkte beschossen. Dies löste international Empörung aus. Die UN-Sicherheitsratsmitglieder Südafrika und Russland kritisierten, dass für den Beschuss jegliche rechtliche Grundlage gefehlt habe. Und auch die Afrikanische Union betonte, dass es Afrika überlassen werden müsse, seine Angelegenheiten selbst zu regeln. UN-Generalsekretär Ban Ki-moon verteidigte den Einsatz hingegen als Schutzmaßnahme für Zivilisten. Knackpunkt dabei ist die Formulierung in der UN-Resolution zur Elfenbeinküste, diesen Schutz "mit allen notwendigen Mitteln" zu gewährleisten. Militärische Mittel sind also nicht ausgeschlossen.

Lage bleibt heikel

Auch wenn Gbagbo den Machtkampf in der Elfenbeinküste wohl verlieren wird, bleibt die Situation heikel. Viele seiner Anhänger würden auch nach einem Abgang Gbagbos schwer bewaffnet bleiben.

Und sie sehen Gbagbo ohnehin als Opfer einer internationalen Verschwörung an, in die sich der Angriff der UNO und der französischen Truppen nur zu gut einfügt. Als Beleg ihrer Theorie dient Gbagbos Anhängern, dass sich vor allem Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy von Anfang an für Ouattara stark gemacht hat. Sarkozy hat als Bürgermeister von Neuilly Alassane und Dominique Ouattara bei deren Hochzeit in Frankreich standesamtlich getraut und war bei der Hochzeitsfeier Ehrengast. Zudem verweist Gbagbos Lager darauf, dass französische Unternehmer von den Privatisierungen, die Ouattara als Premierminister Anfang der 1990er Jahre in Gang setzte, profitierten.

Ganz anders stellt sich die Lage aus der Sicht der Anhänger Ouattaras dar. In ihren Augen versuchte Gbagbo, den vom Volk gewählten Präsidenten mit allen möglichen Tricks von der Macht fernzuhalten. Die internationale Gemeinschaft unterstütze den legitimen Wahlsieger.

Gbagbo und Ouattara sind sich jedenfalls in persönlicher Feindschaft verbunden, die bei der Wahl im November einen neuen Höhepunkt erreichte. Die Wahlkommission hatte Ouattara mit 54 Prozent der Stimmen zum Sieger erklärt. Doch der mit Gbagbo-Getreuen besetzte Verfassungsrat bestimmte Gbagbo zum Sieger, da es in Ouattaras Hochburgen Manipulationen gegeben habe. Wahlbeobachter bezeichneten den Urnengang aber als fair. UNO, EU, USA und weite Teile der Afrikanischen Union stellten sich hinter Ouattara und belegten Gbagbo und seine Getreuen mit Sanktionen.

Beide Politiker haben jedenfalls eine dubiose Laufbahn hingelegt: Gbagbo wandelte sich vom Sozialisten zum nationalistischen Scharfmacher, der noch dazu Millionen unterschlagen haben soll. Aber auch Ouattara gilt als steinreich, und sein Vermögen soll er während er seiner Zeit als Premier angehäuft haben.

Auf Ouattara wird wohl früher oder später die Aufgabe zukommen, das Land auf den Weg der Versöhnung bringen. Er hat schon angeboten, einer Regierung vorzustehen, in der zwar nicht Gbagbo selbst, aber seine Gefolgsleute vertreten sind. Doch die beiden Lager sind seit Jahren verfeindet.

Massaker an Zivilisten

Viele Gefolgsleute Gbagbos sind Anhänger der Ideologie der "Ivoirité". Sie erkennt nur bestimmte Ethnien, vor allem aus dem Süden des Landes, als wahre Ivorer an. Die Ethnien im Norden, die starke Verbindungen in Nachbarländer wie Burkina Faso oder Mali haben, wurden unter Gbagbos Präsidentschaft an den Rand gedrängt. Dies führte 2002 zu einer Rebellion im Norden, die das Land teilte. Der Norden steht großteils hinter Ouattara, die ehemaligen Rebellen aus dem Gebiet bilden nun seine Kerntruppen. Gbagbos Truppen und Milizen sollen exzessiv gegen Zivilisten gewütet haben. Ähnliche Vorwürfe wurden zuletzt aber auch gegen Ouattaras Einheiten laut. Der Bürgerkrieg hat zudem eine Million Ivorer zu Flüchtlingen gemacht. All die Toten und all die Flüchtlinge haben es für die Elfenbeinküste noch schwieriger gemacht, ihre Spaltung zu überwinden und endlich einen Weg der Versöhnung zu gehen

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