)
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 10 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Die aktuelle Situation in Europa ist nicht dazu angetan, klaren Blick für die verworrenen Verhältnisse zu bewahren. Angesichts der widersprüchlichen Botschaften geht nur zu leicht die Orientierung verloren. Einige Beispiele.
Primat der Politik: Als 2009 die Banken-, Schulden- und Eurokrise über Europa hereinbrach, reagierte die europäische Politik mit der selbstbewussten Ankündigung, nun aber endlich wieder ihren Vormachtanspruch gegenüber der Wirtschaft zur Durchsetzung zu verhelfen. Das Vorhaben ließ zwar bei Skeptikern die Alarmglocken schrillen, aber angesichts des bunten Treibens etlicher Finanzmanager auf Kosten der Steuerzahler war die Absicht nicht a priori widersinnig.
Jetzt, bald sechs Jahre später, ist offensichtlich wie selten zuvor, dass das Wohl und Wehe der Währungsunion in den Händen der Europäischen Zentralbank liegt, in deren Statuten die politische Unabhängigkeit verankert ist. Weit ist die demokratisch legitimierte Politik bei der Rückeroberung ihres Primats über die Wirtschaft noch nicht gekommen. Und das Überraschende ist: Bis auf die verzweifelten Sparer in den ehemaligen Hartwährungsländern Deutschland und Österreich scheint das niemanden wirklich zu stören, schon gar nicht die allermeisten Regierungen.
Neue Linke: Verwirrende Botschaften sendet auch die SPÖ. In einem YouTube-Video werben wenige Tage vor der griechischen Parlamentswahl neben einigen Grünen auch etliche Nationalratsabgeordnete der SPÖ empathisch für das griechische Linksbündnis Syriza, dem Umfragen gute Chancen auf Platz eins am Sonntag einräumen. Das ist deshalb überraschend, weil ja eigentlich die griechischen Linkspopulisten als recht energische Gegner der Sozialdemokraten - in Griechenland wie auf europäischer Ebene - agieren. Um für Klarheit zu sorgen wäre es daher durchaus interessant zu erfahren, wie die SPÖ als Ganzes zu den europapolitischen Forderungen von Syriza steht.
Und schließlich das neue Fortpflanzungsgesetz: Dass sich - ungeachtet der breiten Zustimmung im Parlament - mit den Behindertenvertretern ausgerechnet diejenigen Mandatare dagegen aussprachen, die sich subjektiv wohl am stärksten von den neuen Bestimmungen betroffen fühlen müssen, sollte noch nach einer eingehenderen Analyse dieser Problematik verlangen.