Zum Hauptinhalt springen

Verzauberter Sexismus

Von Judith Belfkih

Kommentare

Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 6 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Der Kanzler ist zu Gast in einer TV-Politsendung. Noch nie habe sie so einen jungen, gescheiten und vor allem aber feschen Politiker interviewt, eröffnet die Reporterin das Gespräch. Sie sei, wie das ganze Land, schlichtweg "verzaubert" vom Regierungschef. "Auch nette Personen gehen in die Politik", antwortet er etwas irritiert. Auch seine Lebensgefährtin ist dabei. Es folgt eine "wichtige politische Frage": "Wann genau kommt das Baby zur Welt?" Der Kanzler, ziemlich verwundert: "Am 17. Juni." Interessant, wie viele Menschen da beginnen zurückzurechnen, so die Interviewerin weiter, und sich Gedanken machen, ob das Kind womöglich im Wahlkampf entstanden sei. Der Kanzler und seine Partnerin erröten. "Wirklich?", bringt er schließlich heraus: "Die Wahl war vorbei. Aber die Details wollen wir jetzt nicht erörtern."

Für Österreichs Kanzler bleibt dieses unerquickliche Szenario hypothetisch. Für die neuseeländische Premierministerin Jacinda Ardern und ihren Partner wurde es Realität. Die 37-Jährige erwartet (als zweite Frau überhaupt) in ihrer Amtszeit ein Kind. Jetzt sind die Neuseeländer erzürnt. Nicht ob der Schwangerschaft - die hat einen regelrechten Stricktrend für bedürftige Familien ausgelöst.

Die Entrüstung gilt dem 70-jährigen Journalisten: Sexistisch, unangebracht, gruselig lautete das Urteil über Charles Wooley. Nun kann man die Gesprächsführung natürlich einfach als geschmacklos abtun. Einem männlichen Politiker hätte Wooley diese Fragen aber sicher nie gestellt.