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Verzerrte Wirtschaftsindikatoren

Von Ingrid Szeiler

Gastkommentare
Ingrid Szeiler leitet als Chief Investment Officer das Fondsmanagement der Raiffeisen KAG.
© Raiffeisen

Märkte sind in einem Spannungsfeld zwischen "weichen" Umfragedaten und "harten" Fakten.


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Was bedeutet das eigentlich: "weiche" und "harte" Daten? In der Sprache der Finanzmärkte werden als "weiche" Daten oft Indikatoren bezeichnet, die Stimmungen oder Erwartungen abbilden. Zumeist werden diese durch Umfragen erhoben. Dem gegenüber stehen die "harten" Daten, also Entwicklungen, die tatsächlich in der Wirtschaft stattfinden. Als Beispiele für diese beiden Welten können das Vertrauen der Konsumenten einerseits und die realen Konsumausgaben andererseits angeführt werden. In der Industrie sind das vergleichbare Begriffspaar der Einkaufsmanagerindex und die Produktion.

Warum achten viele Marktteilnehmer nun in besonderem Maße auf die "weichen" Umfragedaten und erst in zweiter Linie auf die "harten" Fakten? Die Begründung liegt darin, dass in der Umfrage Informationen über die zukünftige Entwicklung vermutet werden, während die "harten" Fakten lediglich die Vergangenheit abbilden. Überdies werden diese Daten zum Teil mit beträchtlicher Verzögerung berichtet. So erfahren wir erst Mitte November, wie sich die Industrieproduktion im September entwickelt hat. Und in der schnelllebigen Welt der Finanzmärkte wird das als "Schnee von gestern" gesehen.

Der hohe Stellenwert von Umfragen in der Finanzwelt ist meist gerechtfertigt. Im Großen und Ganzen werden sie ihrem Ruf als Vorlaufindiktoren gerecht. Als Vorlauf- oder Frühindikatoren werden in der Volkswirtschaft jene Daten bezeichnet, die Veränderungen im Konjunkturzyklus früher anzeigen als andere. Es gibt aber auch Phasen, in denen die Signale auseinanderklaffen. Aktuell ist die Stimmung beispielsweise wesentlich schlechter, als es die Wirtschaftsdaten rechtfertigen. Die US-Industrieproduktion wächst zwar nicht mehr, sie fällt aber auch nicht. Die dazu passende Umfrage, der ISM-Einkaufsmanagerindex, liegt jedoch auf dem tiefsten Niveau seit dem Jahr 2009. In diesem Jahr schlitterte die Weltkonjunktur als Folge der Finanzkrise 2008 in eine tiefe Rezession.

Allein daran sieht man, wie verzerrt der Umfrageindikator momentan ist. Einer der Gründe für die schlechte Stimmung ist die politische Unsicherheit im Zusammenhang mit dem Handelskonflikt zwischen den USA und China. Insofern sind die Signale der vergangenen Wochen ermutigend. Wohl nicht ganz uneigennützig hat die US-Seite eine moderatere Gangart angedeutet. Weitere Schritte in diese Richtung wären enorm wichtig, um wieder mehr Zuversicht in die Industrie zu bekommen, die Zurückhaltung bei den Ausrüstungsinvestitionen zu überwinden und letztlich wieder auf einen Wachstumskurs einzuschwenken. Dadurch könnte der schwächelnde Industriebereich wieder zum robusten Dienstleistungssektor aufschließen. Nur so kann die gute Beschäftigungslage aufrechterhalten werden. Für die Aktienmärkte wäre dies ein positives Szenario, während Anleiherenditen weiter steigen würden. Die vielen Konjunktive sind durch die Person Donald Trumps begründet. Ja, die letzten Aussagen gehen in die richtige Richtung. Aber beim US-Präsidenten kann ein unerwarteter Sinneswandel leider nicht ausgeschlossen werden.