"Das Projekt Europa ist zu wichtig, um es durch eine ungenützte Nachdenkpause ins Abseits zu drängen", meinte ÖGB-Präsident Fritz Verzetnitsch zum Scheitern des EU-Gipfels. Die Zeit müsse genützt werden, damit es mit einer Beschäftigungs- und Sozialunion ernst wird. SPÖ-Klubobmann Josef Cap sieht bereits "erste leise Anzeichen für ein Nachdenken in der EU". Wenn daraus ein echter Kurswechsel werde, "war die Krise nicht umsonst".
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 19 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
"Die EU muss endlich von einer reinen Wirtschaftsunion zu einer Beschäftigungs- und Sozialunion umgebaut werden, forderte der ÖGB-Präsident. Notwendig seien "intelligente Strategien für die Modernisierung Europas und den Erhalt der sozialen Sicherheit". Verzetnitsch weiter: "Die EU-Verfassung enthält eindeutig einige Fortschritte zur jetzigen Situation. Wenn man sich nun auf eine Nachdenkpause geeinigt hat, kann das aber nicht bedeuten, dass ein Jahr nichts passiert. Vielmehr ist es notwendig, die in vielen Ländern durch die Menschen geäußerten Bedenken wirklich ernst zu nehmen und die Nachdenkpause aktiv zu nützen. Die EU muss endlich eine Beschäftigungs- und Sozialunion werden. Und diesem Ziel muss sich auch die Budgetpolitik der EU verpflichtet fühlen."
Ähnlich der SPÖ-Klubchef: Anstelle des neoliberale Kurses der schnellstmöglichen Erweiterung müsse eine Politik treten, die die EU der 25 handlungsfähig mache, die sich mehr um Arbeitsplätze und Wachstum kümmere und darum, was die Menschen von einem gemeinsamen Europa erwarteten - "nämlich nicht nur eine Wirtschafts- und Friedensunion, sondern auch eine politische und soziale Union", forderte Cap. Bundeskanzler Wolfgang Schüssel warf Cap in einer Aussendung Versagen beim EU-Gipfel vor: "Kanzler Schüssel hat kein Wort darüber verlauten lassen, wohin diese EU gehen soll. Alles was man von ihm gehört hat war, dass Österreich mehr zahlen soll." Die EU brauche dringend eine Kurskorrektur bei der Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik. "Der neoliberale Kurs Europas ist gescheitert", so Cap, der mehr Investitionen in Beschäftigung, Forschung und Infrastruktur fordert: "Dass im 21. Jahrhundert 40 Prozent der Mittel für die Agrarindustrie ausgegeben werden, ist ein völlig falsches Signal und wird Europa nach und nach an Wettbewerbsfähigkeit kosten."
Strache: Austritt aus der EU bleibt Option
FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache hat am Sonntag bekräftigt, dass ein Austritt aus der EU für ihn denkbar wäre. Wenn man völlig über die Bürger "drüber" fahre, könne der Austritt die Konsequenz sein, meinte Strache in der ORF-"Pressestunde". Die Union sei ein Friedensprojekt, das aber in die falsche Richtung unterwegs sei. Und zwar in Richtung Bundesstaat "mit abgehobener Bürokratie", meinte Strache.
Bevor es zu einer Zerreißprobe komme, müsse man auch darüber nachdenken, welche anderen Formen von Europa es gebe könne, so der Parteichef. Seine Vorstellung: Es müsse ein Kerneuropa für die Nettozahler geben.
Vor kurzem angekündigt wurde von der FPÖ ein EU-Volksbegehren mit folgenden Kernpunkten: Nein zu einem EU-Beitritt der Türkei, Beibehaltung der Neutralität und keine EU-Verfassung ohne Volksabstimmung. Dass er damit etwas spät komme, bestritt Strache. Er habe bereits in der Vergangenheit wiederholt Kritik geübt. Für ihn sei es auch ein "Skandal", dass es in Österreich zur EU-Verfassung keine Volksabstimmung gegeben habe. In diesem Zusammenhang kritisierte er auch Bundespräsident Heinz Fischer, weil dieser die Ratifikationsurkunde unterzeichnet hat.