Nach heftiger Kritik auch aus den eigenen Reihen wollen CDU und CSU auf eine Unterschriftenaktion in Deutschland gegen einen EU-Beitritt der Türkei verzichten. Zypern unterdessen kündigte an, nicht die Aufnahme der Gespräche mit Ankara zu blockieren - allerdings unter bestimmten Bedingungen.
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Für Angela Merkel ist das Thema erledigt. Die CDU-Vorsitzende nimmt von der Idee einer Unterschriftenaktion gegen einen EU-Beitritt der Türkei Abstand. In vielen Rückmeldungen sei die Sorge geäußert worden, dass eine solche Aktion missbraucht werden könnte, begründete sie gegenüber der "Bild"-Zeitung. Merkel hatte zunächst Unterstützung für den Vorschlag aus der CSU signalisiert. Doch der Plan einer Unterschriftensammlung stieß auf heftige Kritik nicht nur in Regierungskreisen sondern auch in den Reihen der CDU.
Kurz darauf machte auch CSU-Vorsitzender Edmund Stoiber einen Rückzieher. Die Idee sei zwar gewesen, die Bürger an der Debatte über einen EU-Beitritt der Türkei zu beteiligen. "Da das aber auf Widerspruch stößt, da es auch missverständlich ist, macht es keinen Sinn letzten Endes, mit einer missverständlichen Aktion die einheitliche Linie in der CSU, in der CDU gegen eine Vollmitgliedschaft der Türkei in der EU irgendwie zu belasten", erklärte der bayerische Ministerpräsident am Freitag.
Überzeugungsarbeit in Berlin und Paris
Dennoch könnte die CDU ihr Vorgehen bei der Bundestagswahl 2006 etliche Stimmen türkischstämmiger Wählerinnen und Wähler kosten. "Die Position, die die Unions-Parteien in Bezug auf die Mitgliedschaft der Türkei bislang verfolgen, ist ein Desaster, sie ist in keiner Weise akzeptabel", sagte der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Hakki Keskin. In dem Land leben rund 2,6 Millionen Menschen türkischer Herkunft, etwa eine Million ist wahlberechtigt.
Mit neuen Initiativen wollen auch türkische Politiker die Skepsis in den EU-Staaten mindern. So reist Außenminister Abdullah Gül am Sonntag nach Berlin. Dort trifft er neben seinem Amtskollegen Joschka Fischer auch Angela Merkel. In Frankreich, wo die Frage einer türkischen EU-Mitgliedschaft in den Mittelpunkt einer innenpolitischen Auseinandersetzung gerückt ist, soll ebenso Überzeugungsarbeit geleistet werden.
Zyperns Bedingungen
Ein Land, das mit einem Veto bei dem Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs im Dezember die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Ankara blockieren könnte, ist auch Zypern. Zwar betonte Staatspräsident Tassos Papadopoulos, den Beginn von Gesprächen nicht verhindern zu wollen. Allerdings knüpft er dies an Bedingungen. So verlange Nikosia die gleiche Behandlung von der Türkei wie alle anderen 24 EU-Staaten.
"Wir werden kein Veto im Dezember einlegen, wenn die Türkei Zypern anerkennt und ihre Truppen abzieht", präzisiert Stavros A. Epaminondas, Botschafter Zyperns in Österreich. Die Türkei erkennt nur den Norden der seit 1974 geteilten Insel an; die Angaben über die Zahl der dort stationierten türkischen Soldaten schwankt zwischen 27.000 und 40.000.
Mehr als 160.000 Menschen wurden nach dem Einmarsch der türkischen Truppen zu Flüchtlingen im eigenen Land, ein Rückkehrrecht für alle ist auch in dem nach UNO-Generalsekretär Kofi Annan benannten Wiedervereinigungsplan nicht vorgesehen. "Die Europäische Union regt sich über ein Ehebruchsgesetz auf aber nicht über die Präsenz türkischer Truppen auf Zypern und auch nicht darüber, dass ein Drittel der Vertriebenen nicht in den Norden zurückkehren darf", streicht Epaminondas hervor.