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Verzweifeln - leicht gemacht

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
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Was einen verzweifeln lässt: dass es so leicht wäre.

Leicht wäre es etwa, Österreichs Budget zu sanieren. Man müsste sich dazu nur, sagt Wirtschaftskammer-Präsident Leitl (aber beileibe nicht nur er), an Schwedens Pensionsantrittsalter orientieren; das liegt bei etwas mehr als 64 Jahren, die Österreicher verabschieden sich durchschnittlich mit 58,4 Jahren aus dem Erwerbsleben. Der Unterschied ist Milliarden wert.

Natürlich ist Leitl als Chef des schwarzen Wirtschaftsbundes Partei. Sein vordringlichstes Ziel ist es, neue oder höhere Steuern zu verhindern, für die vor allem die SPÖ mit Verve wirbt.

Und dennoch fasziniert die Vorstellung, den gordischen Knoten vermaledeiter Innenpolitik mit einem Hieb zu lösen. Ohne Tabubrüche, ohne soziale Grausamkeiten - einfach, indem geltendes Recht in die Realität umgesetzt wird.

Aber Politik verweigert sich dieser Sehnsucht nach dem großen Wurf. Vielleicht nicht aus Prinzip, aber doch in der Praxis, der österreichischen zumal. Deren Stärke (und marketingstrategische Tragik) liegt im Kleinklein endloser Verhandlungen. Im Kompromiss, den schönzureden mitunter sogar den Verhandlungspartnern schwerfällt. Kurz: Nichts, womit sich das Publikum begeistern ließe. Das ist die politische Realität in komplizierten Zeiten.

Doch in den kommenden Wochen werden die Politiker - aus der inneren Logik des Wahlkampfs heraus - ein anderes Bild von ihrem Metier kreieren. Alle werken sie nun an mutigen Plänen und großen Würfen. Und wecken damit bei jenen, die noch an Wahlversprechungen glauben wollen, Hoffnungen, die zwangsläufig nach der Wahl enttäuscht werden, ja werden müssen. Weil das System, das erst Kontinuität und Stabilität schafft, nicht einfach beiseitetreten kann, sondern der Umsetzung großer Würfe im Wege steht.

Ist das ein Nachteil? Ja.

Gibt es Alternativen? Ja, aber keine einfachen.

Die Forderung nach Übernahme des schwedischen Pensionsantrittsalters hieße dann: höhere Arbeitslosigkeit (weil massenhafte Frühpensionierungen wegfallen); flächendeckender Umbau der Lebensverdienstkurven, um die Arbeitskosten Älterer leistbar zu halten; massiver Ausbau der Gesundheitsvorsorge; und überhaupt ein neues Verständnis von Arbeit und Alter.

Klingt kompliziert. Ist es auch.