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Verzweifelte Partnersuche

Von WZ-Korrespondent Manuel Meyer

Politik

Noch-Premier Rajoy versucht einen Monat nach den Parlamentswahlen eine Regierungskoalition zu bilden.


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Madrid. Mit ernsthafter Miene trat Mariano Rajoy am Donnerstagabend vor die versammelten Journalisten in Madrid. König Felipe VI. hatte Spaniens amtierenden Ministerpräsidenten und Wahlsieger gerade den Auftrag erteilt, eine neue Regierung zu bilden.

Mit 137 von 350 Sitzen konnten Rajoy und seine konservative Volkspartei (PP) die Parlamentsneuwahlen vom 26. Juni ziemlich souverän für sich entscheiden. Doch um Rajoys Chancen, sich vier weitere Jahre im Moncloa-Regierungspalast einzunisten, ist es nicht gut bestellt. Denn Rajoy braucht Koalitionspartner, die er nur schwerlich finden wird.

 Keine Unterstützung von Podemos

Rajoy würde am liebsten mit den Sozialisten (PSOE) eine große Koalition nach deutschem Vorbild bilden oder eine Minderheitsregierung anführen, die nicht von den separatistischen Parteien aus dem Baskenland und Katalonien abhängig ist. Aber das dürfte nur schwer möglich sein.

Das weiß niemand besser als er selber. "Ich habe dem König gesagt, dass ich noch nicht die nötige Unterstützung habe, den Auftrag aber dennoch annehme", sagte der Premier nach dem Treffen im Madrider Königspalast trocken. Ob er die nötige Unterstützung überhaupt jemals erhalten wird, ist unterdessen mehr als fraglich, meint der spanische Politologe Pablo Simon.

Auf die Unterstützung der linkspopulistischen Protestpartei Unidos Podemos (Zusammen schaffen wir es) will und könne Rajoy nicht hoffen. Albert Rivera, Chef der neuen liberalen Ciudadanos-Partei, kündigte bereits mehrmals an, Rajoy bei der Parlamentsabstimmung durch Enthaltung bei der Regierungsbildung zu helfen. Eine Regierungskoalition mit Rajoy komme aber nicht in Frage.

 Königsmacher  

"Rajoy steht nun vor einem wirklichen Problem. Denn in dieser Konstellation werden die Sozialisten zu einer Art Königsmacher und Oppositionsführer Pedro Sánchez denkt nicht im Traum daran, Rajoy auch nur durch eine Enthaltung die Chance für eine Minderheitsregierung zu geben. Von einer Großen Koalition ganz zu schweigen", versichert Pablo Simon.

Felipe González, der sozialistische Partei-Übervater und langjähriger spanischer Ministerpräsident, rief seine Partei zwar auf, eine konservative Regierung nicht um jeden Preis zu verhindern, da Spanien nach acht Monaten Stillstand endlich eine funktionierende Regierung brauche. Doch Sánchez stellt auf stur.

Selbst wenn Rajoy politische Zugeständnisse machen würde, bringe ihm das wenig, meint Simon, da die von Sánchez geführten Sozialisten eine Frontalopposition gegen Rajoy aufbauen wollen, um die Opposition nicht der neuen Linkspartei Unidos Podemos zu überlassen, die für die Sozialisten eine existenzielle Bedrohung darstellen.

 Links-Koalition gilt als ausgeschlossen

Doch auch Sánchez dürfte bei der Partnersuche Probleme haben, sollte Rajoy am Versuch, eine Regierung zu bilden, scheitern. Eine Links-Koalition von Sozialisten und Linken gilt als ausgeschlossen. Außerdem will Rajoy als  Wahlsieger im Dezember und im Juni den Sozialisten nicht die Regierung zusammen mit Liberalen oder Linkspopulisten überlassen.

Geht die politische Hängepartie nun also weiter? "Ich befürchte ja. Es sei denn, Rajoy kann mit großen politischen Zugeständnissen wie Arbeitsmarktreformen noch eine Enthaltung der Sozialisten erwirken", meint Politologe Pablo Simon.

Bisher hat Rajoy aber noch keine politischen Angebote gemacht. Er kündigte lediglich an, seine "Anstrengungen zu verdoppeln", um eine Regierung zu bilden. "Aber das hängt nicht von mir ab", gab er am Donnerstagabend zu.

 Zentralregierung

Rajoy warnte jedoch: Die Zeit für eine Regierungsbildung dränge, denn die Frist zur Verabschiedung eines Haushalts für das Jahr 2017 läuft Ende September ab. Zweite Neuwahlen seien unter allen Umständen zu verhindern. Die Wirtschaft stehe vor großen Herausforderungen, nach dem britischen Brexit bedürfe es zudem einer funktionierenden Zentralregierung, die sich den separatistischen Bestrebungen in Katalonien entgegenstelle.

Zwar sind sich die Führer sämtlicher Parteien darüber einig, dass es keine zweiten Neuwahlen geben dürfe. Aber Kompromisse zugunsten des politischen Gegners will auch niemand eingehen. Vor allem nicht die beiden großen Volksparteien. So wird den Madrider Parlamentsfluren und spanischen Zeitungsredaktionen bereits über den 27. November für den dritten Urnengang in nur einem Jahr spekuliert.