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Je mehr Akteure sich auf dem Schlachtfeld tummeln, desto stärker kommen deren unterschiedliche Interessen ans Tageslicht.
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Mit vereinten Kräften will die Staatengemeinschaft in Syrien vorgehen - gegen den Islamischen Staat und gegen den Terrorismus. Immer offensichtlicher wird jedoch vor allem eine bedenkliche Entwicklung: Je mehr Akteure sich auf dem syrischen Schlachtfeld tummeln, desto stärker kommen deren unterschiedliche Interessen ans Tageslicht. Und das eigentliche, zumindest offiziell verlautbarte Ziel - die Wiederherstellung des Friedens im Bürgerkriegsland - scheint unrealistischer als zuvor.
Einerseits ist da die Türkei, Nato-Mitglied und vor nicht allzu langer Zeit ein bevorzugter Verbündeter der USA, die mit ihrer ambivalenten Haltung gegenüber dem IS auffällt. In Ankara wird man nicht müde, ausländische Botschafter ins Außenministerium zu zitieren. Erst neulich traf das Los US-Botschafter John Bass, dem die Regierung von Recep Tayyip Erdogan vorwirft, den Kampf gegen die syrische Kurdenmiliz YPG und gegen die kurdische PKK nicht glaubhaft genug zu betreiben. Washington versucht indes fast krampfhaft, die Kurden für seine Machtbestrebungen zu gewinnen und sie auch gegen den syrischen Präsidenten Bashar al-Assad einzustimmen.
Eine Neuordnung des Nahen Ostens, wie er vielen Geostrategen jenseits des Atlantiks vorschwebt, könnte nach dem vom Westen ersehnten Sturz der Assad-Regierung den Kurden ein autonomes Gebiet zugestehen, das sich vom Norden Syriens und des Iraks bis in den Osten der Türkei erstrecken würde. Für Erdogan wäre dies ein Gebietsverlust, den er niemals hinnehmen würde. Durch seine neu entflammte Freundschaft zu Russlands Präsident Wladimir Putin wagt das türkische Staatsoberhaupt gerade einen Spagat zur Nato. Spätestens nach der US-Präsidentschaftswahl wird sich weisen, wie die USA in Zukunft mit der ungehorsam gewordenen Türkei verfahren werden.
Andererseits kommt jetzt neben Russland, der Türkei, den USA und der EU ein neuer Akteur ins Spiel, der bisher durch seine Zurückhaltung aufgefallen ist: Aufgrund der Spannungen im Südchinesischen Meer und der Radikalisierung muslimischer Uiguren in der westlichen Provinz Xinjiang wächst das Interesse Chinas an Syrien. Die Besorgnis in Peking ist nicht unberechtigt und erklärt den Schulterschluss mit Assad, Russland und dem Iran - also jenen Kräften, die offensiv gegen den IS vorgehen, ohne vermeintliche "gemäßigte Rebellen" mit Waffen zu versorgen. Eine Einmischung Chinas in den Konflikt wird das Pentagon mit großer Wahrscheinlichkeit nicht unterstützen, was den Krieg in Syrien zweifelsohne verlängern wird.
Mit großer Spannung erwartet die Welt den Ausgang der US-Präsidentenwahl am 8. November 2016. Hillary Clinton oder Donald Trump wird dann die Zügel im Nahen Osten in die Hand nehmen. Am Kräftemessen in der syrischen Arena wird das recht wenig ändern. Das weiß auch Assad. "Solange die USA ihren Kurs nicht wechseln, ist es vollkommen gleichgültig, wer Präsident wird", meinte der syrische Machthaber jüngst ernüchtert in einem Interview. Selbst mit neuen Akteuren wird der Krieg der Großmächte dann in die nächste Runde gehen.