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Verzweiflung und Angst im Irak

Von Niko Price, AP

Politik

An der Grenze Irak/Jordanien - Ausgebrannte Autos auf irakischen Straßen, weinende Mütter über Kinderleichen, ein kleiner Bub mit abgerissenem Hinterkopf. Überall im Irak sind die Kriegsopfer in der Zivilbevölkerung sichtbar. Aber niemand vermag sie zu zählen, während sich Invasionstruppen und irakische Streitkräfte heftige Kämpfe in nahezu allen Landesteilen liefern und Bagdad weiter bombardiert wird.


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"Es gibt keine verlässlichen Zahlen über die zivilen Opfer", sagt Geoffrey Keele, der Sprecher des Kinderhilfswerks UNICEF für den Irak. Nach Angaben der irakischen Regierung sind bisher 194 Einwohner getötet worden. Der private Internetdienst iraqbodycount.net hat unterschiedliche Informationen zusammengetragen und schätzte die Zahl der zivilen Toten am Mittwoch auf 213 bis 292. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) in Bagdad hat seit Sonntag 14 Tote und 110 Verletzte registriert, hält aber höhere Zahlen für möglich. "Wir geben erst dann Zahlen von Opfern bekannt, wenn wir dies mit eigenen Augen gesehen haben", erklärt Muin Kassis vom Roten Kreuz in der jordanischen Hauptstadt Amman. Aus anderen Landesteilen hat das IKRK keine Informationen. Vor allem im belagerten Basra sind die 1,3 Millionen Einwohner in Gefahr; UNO-Generalsekretär Kofi Annan warnte vor einer Katastrophe.

Journalisten, Taxifahrer und Flüchtlinge, die an der irakischen Grenze eintreffen, berichten von Dutzenden ausgebrannten Autos entlang der Straße aus Bagdad. Irakische Zeitungen veröffentlichen Bilder von enthaupteten Körpern. Und täglich zeigen arabische Fernsehsender Aufnahmen aus Krankenhäusern, wo Männer, Frauen und Kinder unter schweren Verletzungen leiden, die ihnen Raketen und Bomben von Amerikanern und Briten zugefügt haben. "Mein Sohn wurde bei Granatenangriffen getötet", klagt eine Frau in einem Klinikbett, die vom saudiarabischen Fernsehsender Al Arabiya gefilmt wurde. Ihr zweiter Sohn, noch im Kleinkindalter, liegt im Krankenbett daneben.

Ein Bus mit syrischen Arbeitern auf der Flucht vor dem Krieg wurde am Sonntag nach einer Meldung der syrischen Nachrichtenagentur SANA von einer Rakete getroffen. Dabei sollen fünf Menschen getötet und zehn verletzt worden sein. Eine Sprecherin des US-Oberkommandos sagte, sie habe dazu keine Informationen.

Schon am ersten Kriegstag wurde ein jordanischer Taxifahrer bei einem Raketenangriff getötet. Ein Freund des Opfers, der Taxifahrer Samir Sabah, wurde blass, als er hörte, dass einer seiner eigenen Fahrgäste Spanisch sprach - Spanien gehört mit zu den Verbündeten der USA. "Raus aus meinem Auto, bevor ich etwas anstelle", herrschte Sabah den Fahrgast an. "Ihr Volk hat meinen Freund umgebracht. Er wurde von den amerikanischen Streitkräften kaltblütig getötet."