Der Asteroid verblüfft mit gigantischen Furchen, Bergen und Becken.
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Berlin. Die dramatische Landschaft auf dem Asteroiden Vesta stellt alles in den Schatten, was sich Science-Fiction-Autoren bisher ausgedacht haben. Da gibt es einen Krater, der mit 500 Kilometer Durchmesser fast die Größe Deutschlands hat. In seiner Mitte ragt ein 180 Kilometer breites Bergmassiv rund 22 Kilometer steil in den Himmel. Ähnlich hoch sind die Kraterwände, hinter denen bald der Äquator kommt, um den sich monströs anmutende Furchen schlingen, die einige hundert Kilometer lang und stellenweise beinahe 30 Kilometer breit sind. Dabei hat Vesta selbst an seiner schmalsten Stelle gerade einmal einen Durchmesser von 446 Kilometern. "Das ähnelt vielleicht einem Blick vom höchsten Gipfel der Erde im Himalaya. Nur liegt am Gebirgsfuß nicht Indien, sondern die tiefste Schlucht in den Weltmeeren, aus denen allerdings das Wasser abgelassen wurde", erklärt Ralf Jaumann vom Institut für Planetenforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Berlin.
Raumsonde "Dawn"
Wenn Planetenforscher wie Jaumann erklären wollen, wie dies entstanden sein könnte, brauchen sie Daten. Das Weltraumteleskop Hubble sieht am Südpol von Vesta zwar eine gewaltige Delle, aber keine genauen Strukturen. Um mehr zu erfahren, schickte die US-Weltraumorganisation Nasa am 27. September 2007 die 350 Millionen US-Dollar teure Raumsonde "Dawn" auf den Weg zum Himmelskörper: Während Kollisionen fast alle anderen Asteroiden seit ihrer Entstehung vor 4,55 Milliarden Jahren in kleinere Teile zertrümmert haben, scheint Vesta das Bombardement weitgehend unbeschadet überstanden zu haben. Allerdings nur knapp, zeigten die von "Dawn" zur Erde gefunkten Daten, als der Satellit zwischen dem 16. Juli 2011 und dem 5. September 2012 Vesta aus einer Entfernung von teils nur 175 Kilometern beobachtete.
An Bord der Sonde sind drei Instrumente, darunter ein vom DLR und dem Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung entwickeltes Kamerasystem. Das aber liefert wie viele Kameras nur zweidimensionale Bilder. Aus diesen ermitteln dann der Berliner DLR-Forscher Frank Preusker und seine Mitarbeiter die Höhen und Tiefen, die Berge und Schluchten.
Dabei tauchen viele kleine Krater auf, die sich innerhalb eines großen Kraters aneinander zu drängen scheinen. Vergleichbare Strukturen gibt es auch auf dem Mars und auf der Erde, zum Beispiel in Island. Sie entstanden, als glühend-flüssige Lava über einen Eisbrocken im Boden floss. Das Eis verdampfte schlagartig. Da Eis aber viel weniger Raum braucht als der daraus entstehende Wasserdampf, explodierte das Ganze und riss ein Loch in den Boden, das einem Vulkankrater ähnelt.
Als ein Meteorit auf Vesta prallte, schlug er den großen Krater und schmolz einen Teil der Oberfläche. Diese Lava hüllte dann Eisbrocken aus dem Meteoriten ein, die folgenden Wasserdampfexplosionen rissen die nebeneinander liegenden Krater in den Boden von Vesta, berichtet ein Forscherteam um Preusker im Fachblatt "Science".
Noch dramatischer entstand der Riesenkrater Rheasilvia am Südpol, der mit 500 Kilometer Durchmesser fast so groß wie der Durchmesser des gesamten Asteroiden ist. Ein zweiter Monsterkrater namens Veneneia mit 400 Kilometer Durchmesser liegt zum Teil unter Rheasilvia.
Ziehharmonika-Effekt
Wie diese Gebilde entstanden, schildert Jaumann: "Zunächst kollidierte ein Riesenbrocken mit Vesta, der nicht nur Veneneia aushob, sondern vielleicht auch die Achse verschoben hat, um die Vesta sich dreht." Erst das Kippen der Rotationsachse hätte dann den Südpol des Asteroiden Richtung Veneneia verschoben.
Danach kam es zu einem zweiten Volltreffer. "Vor vielleicht einer Milliarde Jahren sollte ein Asteroid mit einem Durchmesser von 25 bis 75 Kilometern relativ langsam am Südpol eingeschlagen sein", so Jaumann. Dabei entstand eine Senke mit 500 Kilometer Durchmesser, deren Rand sich heute von der tiefsten Stelle aus mehr als 22 Kilometer nach oben wölbt. Ähnlich wie ein in einen See geworfener Stein erst das Wasser wegdrückt, das danach wieder zurückschwappt, in der Mitte zusammenprallt und dabei einen Wassertropfen in die Höhe schleudert, wurde in der Mitte des Rheasilvia-Kraters das zurückflutende Gestein in die Höhe geschleudert. Dabei entstand das Monstergebirge. Obendrein wurden Brocken bis in den Weltraum geschleudert, einige landeten als Meteoriten sogar auf der Erde.
Beide Kollisionen drückten den Asteroiden wie eine Ziehharmonika ein wenig zusammen. "Danach schwang Vesta zurück und riss dabei gleichzeitig die Bänder rund um das Epizentrum des Treffers auf", vermutet Jaumann. Das sind die gigantischen Furchen um den Äquator und eine weitere Gruppe von Bändern auf der Nordhalbkugel von Vesta.
Ein weiteres internationales Team berichtet in "Science" von Wasserstoff auf Vesta, der offensichtlich aus aufprallenden Meteoriten stammt. Ohnehin ist der Asteroid wie praktisch alle anderen Himmelskörper im Sonnensystem, die nicht von einer dichten Lufthülle geschützt werden, von Kratern übersät. Das hatten die Forscher auch erwartet. Schließlich zeigt schon ein Blick auf die Krater des Mondes, dass Kollisionen mit kosmischen Brocken keine Seltenheit sind.