Schärfste Proteste regnete es Donnerstag seitens der Arbeitnehmervertreter zu Privatisierungsvorhaben der schwarz-blauen Bundesregierung. In Vorstandssitzungen des ÖGB und der Arbeiterkammer sowie | einer Betriebsrätekonferenz signalisierten unter anderen ÖGB-Präsident Fritz Verzetnitsch und AK-Präsident Herbert Tumpel ihre ablehnende Haltung vor allem zur ÖIAG-Privatisierung.
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Der ÖGB wirft der Regierung vor, nicht an einer "ernsthaften" Einbindung der Arbeitnehmer in Gesetzesmaterien interessiert zu sein. Die ÖIAG-Privatisierung sei, kritisierte Verzetnitsch, ohne
Begutachtung beschlossen worden. Der ÖGB-Chef will nun ein "demokratisches Begutachtungsverfahren auf parlamentarischer Ebene".
In einer Resolution hat der ÖGB außerdem einen "Aus- und Abverkauf wichtiger österreichischer Unternehmen" und Umverteilungen der Regierung zu Lasten der ArbeitnehmerInnen abgelehnt.
In dem von der Regierung vorgelegten Privatisierungsprogramm sieht Verzetnitsch einen "kapitalen Fehler für die industrie-politische Entwicklung des Landes". Das einzig erkennbare Ziel sei, die
Verkäufe möglichst rasch abzuwickeln. Unverständlich ist für den ÖGB-Vorsitzenden, warum auch profitable Unternehmen wie die Austria Tabakwerke und der Flughafen Wien der staatlichen Hand entzogen
werden sollen.
Durch die geplanten Privatisierungen befürchtet Verzetnitsch jedenfalls eine massive Gefährdung von Arbeitsplätzen. Als Negativbeispiele in diesem Zusammenhang nannte der ÖGB-Chef die Probleme und
die Österreich-Standorte von Unilever und Semperit.
Auch die Belegschaftsvertreter aus dem Bereich der ÖIAG und anderer staatsnaher Unternehmen machten am Donnerstag in einer österreichweiten Betriebsrätekonferenz mobil gegen die Privatisierungspläne.
In einer Resolution wird verlangt, den Auftrag der Bundesregierung an die ÖIAG betreffend Privatisierung für diese Legislaturperiode zurückzunehmen und zu evaluieren.
Die Bundesarbeiterkammer beklagte, dass die Sozialpartner beim Privatisierungskpaket nicht zu Verhandlungen geladen worden seien.
Stimmen aus der Regierung
Mit dem neuen ÖIAG-Gesetz werde es zu keinem Ausverkauf österreichischer Unternehmen und auch zu keinem "Verscherbeln des Familiensilbers der Republik" kommen, betonten in einer Reaktion Minister
Wilhelm Molterer (V) und Öberösterreichs LH Josef Pühringer (V). Auf die Notwendigkeit von Privatisierungen wies der FPÖ-Wirtschafts- und Industriesprecher Thomas Prinzhorn hin. Neben budgetären
Gründen für die umfassende ÖIAG-Privatisierung werde Unternehmen ohne staatlichen Einfluss auch eine höhere betriebswirtschaftliche Effizienz unterstellt.
Heftige Kritik an der Haltung der Gewerkschaft kommt auch von WK-Generalsekretär Günter Stummvoll. Er beklagte, dass der ÖGB auf einen destruktiven Kurs des Gegeneinander umgeschaltet habe.
VP-Generalsekretärin Maria Rauch-Kallat warf der Gewerkschaft Unsachlichkeit vor und forderte die Vertreter dazu auf, wieder an den Verhandlungstisch zurückzukehren, denn niemand in der Regierung sei
daran interessiert, "den ÖGB mundtot zu machen".
Begutachtungsverfahren nun garantiert
Das von Verzetnitsch angesprochene Begutachtungsverfahren sei nun doch garantiert, versicherte der geschäftsführende SPÖ-Klubobmann Peter Kostelka. Mit dem am 14. März im Industrieausschuss
eingeleiteten umfangreichen Begutachtungsverfahren sei gesichert, dass die berechtigten Interessen sowohl auf Führungsebene als auch auf Mitarbeiter- und Expertenebene gehört würden.
Kein Einlenken des ÖGB bei Pensionsplänen
Kein Einlenken des ÖGB ist auch bei den Pensionsplänen zu erwarten. Verzetnitsch betonte, dass man zwar an den Verhandlungen teilnehme, jedoch jedes Mal klarstelle, dass man die Vorhaben der
Regierung für falsch halte. So warte die Gewerkschaft bisher vergeblich auf Vorschläge, wie man Arbeitnehmer länger im Arbeitsprozess halten könne. Die Folge der neuen Frühpensionsregelung wäre nur
ein Steigen der Arbeitslosigkeit, was eine extreme Belastung der Arbeitslosen-Versicherung zur Folge hätte. Gewisse Korrekturen im System wären aber sinnvoll.
Ablehnung gab es vom ÖGB auch zum geplanten Saisonier-Modell, den Selbstbehalten im Gesundheitswesen sowie die Frauenpolitik der Regierung. Bei der Aktion Fairness freut man sich zwar über die
Angleichung bei den Entgeltfortzahlunen, zahlreiche Detailfragen seien aber noch zu klären.
Die Arbeiterkammer lehnt den Entwurf der schwarz-blauen Regierung für die Aktion Fairness als "sehr lückenhaft" ab. In einer Resolution wird im Gegensatz dazu eine "umfassende Umsetzung" der Aktion
Fairness gefordert.