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Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) beschäftigt sich in seiner am Montag beginnenden Herbstsession erstmals mit Beschwerden gegen Urteile des Asylgerichtshofes. Weil Asylwerbern mit der Schaffung des neuen Gerichts per 1. Juli der Zugang zum Verwaltungsgerichtshof gestrichen wurde, bleibt das Verfassungsgericht als einzige Beschwerdemöglichkeit. Außerdem auf der Tagesordnung der 14 Verfassungsrichter: Die Anfechtung des EU-Reformvertrags durch zwei Privatpersonen und die im Sicherheitspolizeigesetz verankerte Internet-Überwachung. Die Herbstsession dauert bis 11. Oktober.
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Erstmals befassen sich die 14 Verfassungsrichter mit Beschwerden gegen Entscheidungen des Asylgerichtshofs. Dieses Gericht ist seit 1. Juli für Berufungen gegen Asylbescheide zuständig. Weil SPÖ und ÖVP den weiteren Rechtszug zum Verwaltungsgerichtshof abgeschnitten haben, bleibt als einzige weitere Instanz das Verfassungsgericht. Insgesamt sind beim VfGH bisher rund 150 Beschwerden gegen Asylgerichts-Entscheidungen eingetroffen - unter anderem wird dem Asylgerichtshof willkürliches Verhalten vorgeworfen, weil etwa Ermittlungen ausgeblieben sind.
Außerdem steht die bis dato letzte beim VfGH anhängige Beschwerde von Arigona Zogaj an: Es geht um die Zurückweisung einer Berufung gegen die Ablehnung der humanitären Aufenthaltsgenehmigung durch die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck.
Ebenfalls auf seine Tagesordnung genommen hat der Verfassungsgerichtshof den EU-Reformvertrag ("Vertrag von Lissabon"): Zwei Privatpersonen halten ihn für verfassungswidrig und haben seine Aufhebung beantragt. Außerdem gehen sie davon aus, dass der Vertrag eine Gesamtänderung der Verfassung mit sich bringt, daher eine Volksabstimmung nötig gewesen wäre und die Ratifizierung im Parlament folglich unzulässig war.
Klarheit bringen könnte die Herbstsession über die Zulässigkeit der im Sicherheitspolizeigesetz verankerten Handy- und Internet-Überwachung. Telekomfirmen sind vor den Verfassungsgerichtshof gezogen, weil sie die Möglichkeit der Behörden, in angeblichen Notfällen auch ohne richterliche Genehmigung Handy- und Internetdaten abzufragen, für verfassungswidrig halten. Außerdem kritisieren sie, dass damit die umstrittene "Vorratsdatenspeicherung" (für die es noch keine eigene Rechtsgrundlage gibt) vorweggenommen würde.
Gegen die Untersagung einer Demonstration vor einer Kleiderbauer-Filiale hat sich der "Verein gegen Tierfabriken" an das Verfassungsgericht gewandt. Zwei anhängige Wahlanfechtungen betreffen die oberösterreichische Gemeinde Freinberg (es geht um angebliche Unregelmäßigkeiten bei der Wahl des Bürgermeisters nach dem Rücktritt seines Vorgängers) und das burgenländische Jellersdorf (Stein des Anstoßes ist ein strittiger Stimmzettel).
Vor der inhaltlichen Behandlung aller Beschwerden müssen die Verfassungsrichter allerdings erst klären, ob die Anträge zulässig sind.
Fix auf der Tagesordnung steht die Kärntner Parteienförderung, konkret die Bestimmung, dass die Landesmittel nur an Parteien ausgezahlt werden, die mit mindestens "zwei Mitgliedern" im Landtag vertreten sind. Hier haben die Verfassungsrichter von sich aus ein Verfahren eingeleitet, weil sie die Benachteiligung der Kleinparteien für unsachlich halten. Derartige "amtswegige" Verfahren enden in der Regel mit der Aufhebung des Gesetzes.
Für den 29. September ist eine öffentliche Verhandlung zu einem Staatshaftungsfall (es geht um die nachträgliche Anrechnung von Vordienstzeiten) angesetzt.