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VfGH bringt § 209 zu Fall

Von Alexandra Grass

Politik

Für die breite Öffentlichkeit überraschend hat der Verfassungsgerichtshof (VfGH) den jahrelang heftig umstrittenen so genannten Homosexuellen-Paragraphen 209 als verfassungswidrig aufgehoben. Bis 28. Februar 2003 muss das Parlament nun eine Neuregelung finden.


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Es wäre wünschenswert, eine Lösung zu erzielen, bevor ein Entscheid der Höchstgerichte vorliegt, hatte Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer noch im August des vorigen Jahres erklärt. Nicht ganz so eilig hatte es Bundeskanzler Wolfgang Schüssel gehabt, der wiederholt die Notwendigkeit des Schutzes von Kindern und Jugendlichen betonte.

Die Debatte darüber und entsprechende Vorschläge waren nach und nach im Sand verlaufen - eine Entscheidung der Politik blieb aus. Nun ist tatsächlich das Höchstgericht, das "den Gleichheitssatz verletzt" sieht, der Politik zuvorgekommen und bringt den 209er zu Fall. Da man aber das Ziel des Gesetzgebers, Jugendliche zu schützen, nicht in Zweifel ziehe, hat sich der VfGH zum Setzen der Frist entschlossen. Das Höchstgericht hat damit einem entsprechenden Antrag des OLG Innsbruck stattgegeben. Noch im Dezember 2001 war ein ähnlicher Antrag des OLG Innsbruck auf Prüfung der Verfassungskonformität zurückgewiesen worden.

Die traditionelle Regenbogenparade am kommenden Samstag wird wohl als besonderer Festtag gefeiert werden. Die Homosexuellenorganisationen zeigten sich gestern erfreut. Die Plattform gegen § 209 fordert nun allerdings die Rehabilitation der "Opfer" des 209er samt angemessener finanzieller Entschädigung der mehr als 1.500 Menschen, die unter diesem Titel verurteilt worden seien, betonte deren Sprecher Helmut Graupner. An Bundespräsident Thomas Klestil wird appelliert, von seinen Kompetenzen Gebrauch zu machen, alle noch laufenden Verfahren niederzuschlagen.

In den vergangenen Jahren gab es durchschnittlich 50 Anzeigen jährlich bei rund 20 Verurteilungen.

Die Opposition begrüßte die Entscheidung des VfGH. SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Andrea Kuntzl sprach von der "längst fälligen Aufhebung eines Unrechtsparagraphen". Für die Grüne Ulrike Lunacek hat der "jahrelange Kampf gegen den menschenrechtswidrigen und kriminalisierenden Paragraph 209" mit der Aufhebung nun "endlich einen ersten großen Erfolg erzielt".

Für die FPÖ sei das Urteil nicht überraschend gekommen, erklärte Generalsekretär Karl Schweitzer. Eine Novelle müsse in jedem Fall einen verbesserten Schutz vor sexuellem Missbrauch bringen, erklärten Schweitzer sowie die ÖVP-Justizsprecherin Maria Fekter gleichermaßen. Nun werde es darum gehen, im Nationalrat eine entsprechende Nachfolgeregelung zu finden. Fekter stellt einen "neuen Tatbestand für den sexuellen Missbrauch von Personen unter 16 Jahren" in Aussicht - sowohl für männliche als auch weibliche Jugendliche.