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Viagra hilft nicht gegen Steuerlast

Von Erich Wolf

Wirtschaft

HeilbehandlungsBegriff überholt. | In-vitro-Fertilisation in Deutschland steuerlich absetzbar. | Wien. Die österreichische Gerichtsbarkeit judiziert engherzig in den sensiblen Bereichen der Kinderwunschbehandlung sowie Erektionsstörungen. So verweigerte der Unabhängige Finanzsenat (UFS) einem Diabetes-Patienten, der im Zusammenhang mit der Krankheit regelmäßig Viagra einnimmt, die steuerliche Absetzung des Medikaments.


In einer zunehmend älter werdenden und geburtenarmen Gesellschaft erwies sich der Deutsche Bundesfinanzhof (BFH) als modern und gestattete verheirateten Frauen die steuerliche Absetzbarkeit der Kosten für eine künstliche Befruchtung (In-vitro-Fertilisation). Der österreichische Verwaltungsgerichtshof (VwGH) erkannte eine derartige Regelung nicht an.

Viagra gegen Diabetes: Finanzsenat lehnt ab

Aufwendungen im Zusammenhang mit einer Krankheit können unter bestimmten Voraussetzungen als außergewöhnliche Belastung steuerlich abgeschrieben werden. Nach § 34 des Einkommensteuergesetzes sind bei der Ermittlung des Einkommens nach Abzug der Sonderausgaben außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. (Private) Aufwendungen gelten dann als außergewöhnliche Belastungen, wenn der Steuerpflichtige sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann. Krankheitskosten sind grundsätzlich als außergewöhnliche Belastungen anerkannt.

Der UFS ist die Behörde, welche für Berufungen gegen Bescheide des Finanzamtes als Rechtsmittelinstanz anzurufen ist. Gemäß einer aktuellen Entscheidung des UFS vom 29.9.2005 wurden allerdings Aufwendungen für Viagra in Höhe von 3000 Euro nicht anerkannt. Das Finanzamt lehnte die steuerliche Abzugsfähigkeit mit dem Argument ab, die Einnahme von Viagra sei keine Heilbehandlung.

Der Steuerpflichtige im Anlassfall leidet unter einer Zuckerkrankheit, wo es immer wieder zur Abnahme der Erektionsfähigkeit kommt, die mit Viagra sehr gut behandelt werden kann. Er argumentierte im Berufungswege, dass auch das persönliche Wohlbefinden des Patienten einen wesentlichen Einfluss auf den gesamten Krankheitsverlauf habe. Die Definition von Heilbehandlung sei daher entsprechend weit auszulegen. Der UFS wies die Berufung ab, und folgte der traditionellen Definition von Heilbehandlung.

Nicht zuständig für

soziales Wohlbefinden

Der UFS sah für Viagra keinen Anwendungsbereich für eine außergewöhnliche Belastung, da es weder das Grundleiden noch die Erektionsstörung heile. Der ärztlichen Bestätigung, dass auch Diabetes durch Medikamente nicht geheilt werden könne und die Aufwendungen dennoch als außergewöhnliche Belastung anerkannt würden, sei entgegen zu halten, dass bei Nichtbehandlung von Diabetes schwerwiegende gesundheitliche Beeinträchtigungen bis zum Tod einträten. Die Nichtbehandlung von Erektionsstörungen könne wohl zu mangelndem psychischen Wohlbefinden führen, der Umkehrschluss, dass es ohne sexuelle Betätigung kein Wohlbefinden geben könne, sei jedoch nicht zulässig. Der Steuergesetzgeber sei nicht dazu berufen, soziales Wohlbefinden zu finanzieren.

Deutsche Ehepaare können absetzen

Bei Aufwendungen für die künstliche Befruchtung ist die Thematik ähnlich. Auch die damit im Zusammenhang stehenden Kosten sind nach der traditionellen Auffassung und der Rechtsprechung des VwGH nicht als außergewöhnliche Belastung anerkannt. Sowohl die Kinderlosigkeit, als auch die Erektionsstörung sind zwar für die Betroffenen äußerst störend, aber die damit in Verbindung stehenden Therapiekosten stellen keine Heilbehandlung dar.

Gerade bei den Kosten für die künstliche Befruchtung zeigt sich, dass die engherzige traditionelle Auffassung von "Heilbehandlung" überholt ist. Die "Kinderwunschbehandlung" liegt nämlich auch im gesellschaftspolitischen Interesse, und stellt nicht bloß ein Privatinteresse einzelner Steuerzahler dar.

Der deutsche BFH kennt die Aufwendungen für die künstliche Befruchtung im Gegensatz zum österreichischen VwGH bereits als außergewöhnliche Belastung an, allerdings nur für verheiratete Frauen.

Staatliches Interesse

an mehr Kindern

Unverheiratete Frauen, mögen sie auch in einer festen Partnerschaft leben, können die Kosten der In-vitro-Fertilisation nicht als außergewöhnliche Belastung geltend machen. Trotz der seltsamen steuerlichen Differenzierung zwischen Ehe und eheähnlicher Gemeinschaft erweist sich der deutsche Gerichtshof als moderner in seinen Ansichten als der österreichische VwGH und UFS. Der Steuergesetzgeber und die Gerichtshöfe dürfen sich gesellschaftlichen Problemen nicht verschließen. Aufwendungen für In-Vitro-Fertilisation sowie für Viagra sollten einkommensteuerrechtlich abzugsfähig sein, da es heutzutage nicht nur um die physische Existenz des Einzelnen, sondern auch um eine Verbesserung der Lebensumstände geht. Bei dieser weitergehenden Betrachtung sollten auch Aufwendungen für "Wellness" (z.B. Infrarotkabine, etc.) steuerlich abzugsfähig werden, wenn eine konkrete Krankheit mit nachhaltigen Therapieeffekten vom Steuerpflichtigen nachweisbar ist. Der Gesetzgeber und die Judikatur haben gesellschaftspolitische Entwicklungen nachzuvollziehen.

Erich Wolf (37) ist Steuerberater in Wien.