Der Autor traf 2008 den eben ernannten Nationalen Sicherheitsberater Trumps im Irak. Ein Porträt eines Querkopfs.
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Bagdad/Washington/Wien. Von Winston Churchill ist der Satz überliefert: "Man kann sich immer darauf verlassen, dass die Amerikaner das Richtige tun - nachdem sie alles andere ausprobiert haben."
Zuerst versuchte es Donald Trump mit Michael T. Flynn. Flynn musste in der vergangenen Woche im Zusammenhang mit seinen umstrittenen Russland-Kontakten nach nur drei Wochen im Amt zurücktreten. Trumps Vorgänger Barack Obama hatte den Verschwörungstheorien nicht abgeneigten Flynn, der immer wieder auch mit seinem erratischen Verhalten aufgefallen war, im April 2014 als Chef des Militärgeheimdienstes Defense Intelligence Agency gefeuert.
Dann holte sich Trump beim ehemaligen Vizeadmiral Robert Harward eine Absage. Der Nachrichtensender CNN zitierte aus einer Erklärung Harwards: "Dieser Job fordert 24 Stunden täglich, sieben Tage pro Woche Aufmerksamkeit und Engagement, um es richtig zu machen", hieß es demnach. "Derzeit könnte ich diese Verpflichtung nicht eingehen." Die öffentliche Absage war einigermaßen peinlich für Trump, und so wirkte der US-Präsident am Montagabend einigermaßen gelöst, als er in seiner pompösen Sonnenkönig-Residenz Mar-a-Lago in Florida der amerikanischen Öffentlichkeit Herbert Raymond McMaster als neuen Sicherheitsberater vorstellen konnte. Generalleutnant McMaster habe ein "enormes Talent und enorme Erfahrung".
Nun herrscht nicht nur bei den Republikanern Erleichterung, auch Susan Rice, die unter Trumps Vorgänger Barack Obama Nationale Sicherheitsberaterin war, wünschte McMaster "jeglichen Erfolg". McMaster genießt über die Parteigrenzen hinweg Respekt, jene Kräfte in den USA, die darauf hoffen, dass der Einfluss der rechtsextremen Kräfte um Trumps Chefstrategen Steve Bannon eingedämmt werden kann, setzen nun auf McMaster.
Und der hochdekorierte US-Militär ist tatsächlich ein eigenwilliger, origineller Stratege.
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Treffen mit McMaster
Ich traf McMaster im Jahr 2008 in der Greenzone in Bagdad, wo ich für die Tageszeitung "Die Presse" recherchierte, zum Interview. McMaster war damals einer der führenden Köpfe rund um General David Peträus, der die schwierige Aufgabe hatte, den eskalierenden Bürgerkrieg im Irak zwischen schiitischen und sunnitischen Milizen einzudämmen. McMaster war damals auch einer der geistigen Väter der "Surge"-Strategie von "clear-hold-build". Nach dieser Strategie wurde zuerst ein Gebiet von Kämpfern "gesäubert", dieses Territorium sollte dann "gehalten" werden und schließlich sollte ein Wiederaufbauprogramm der Bevölkerung in dem umfehdeten Gebiet wieder eine Zukunft geben. McMaster wurde bei der Schlacht um Tal Afar im Jahr 2006 bekannt, wo er diese Strategie einsetzte. Die damalige US-Außenministerin Condoleezza Rice hatte vom Erfolg McMasters in Tal Afar gehört und begann, gegen den Widerstand von Donald Rumsfeld, McMasters Strategie zum Durchbruch zu verhelfen. Rumsfeld wollte nämlich von einem "Aufstand" im Irak nichts wissen und begnügte sich damit, die Probleme kleinzureden. McMaster skizzierte damals im Interview sein Bild von Al-Kaida im Irak (AQI): "Al-Kaida sagt, dass jeder, der ihrer engen, extremen Definition des Islam nicht folgt, ein Ungläubiger ist, und dass es ihre Pflicht sei, ihn zu töten." Die 2003 geschmiedeten Allianzen zwischen Nationalisten, Baath-Anhängern, Mitgliedern von sogenannten Widerstandsgruppen und Al-Kaida seien in der Zwischenzeit zerbrochen, sagt McMaster: "Die Menschen haben die wahre Natur von Al-Kaida erkannt." Al-Kaida hätte den Menschen erklärt "wir schützen euch vor den Kreuzzüglern, den Abtrünnigen, Schiiten oder den Kurden". Doch wenn Al-Kaida sich dann einnistet, würden die Terroristen sich mit Brutalität Macht verschaffen. McMaster: "Was dann an vielen Orten passiert, ist, dass die Menschen feststellen, dass ihnen unter der Herrschaft dieser Gruppierungen eine düstere Zukunft bevorsteht. Was wir versuchen, ist den Menschen an diesen Orten die Angst zu nehmen, damit die Normalität zurückkehrt, damit es wieder Hoffnung gibt", sagt McMaster.
Als sich in der Provinz Anbar erster Widerstand gegen die Gewaltherrschaft von Al-Kaida zu regen begann, fingen die USA an, diese sunnitischen Anti-Al-Kaida-Kräfte zu unterstützen, was Al-Kaida weiter schwächte.
McMaster hatte verstanden, dass die US-Einheiten ursprünglich viel zu wenig Ahnung von der Komplexität der irakischen Gesellschaft hatten und den Irakern viel zu wenig zuhörten. McMaster plädierte für eine Art Polizeistrategie: Um die Iraker für sich zu gewinnen, müsse die US-Armee deren Sicherheit garantieren.
Im Golfkrieg 1991 war McMaster noch als Panzer-Haudegen aufgefallen: Bei einer Panzerschlacht hat McMasters Zweites gepanzertes Kavallerieregiment 28 irakische T-72-Kampfpanzer russischer Bauart vernichtet, 16 Schützenpanzer und 39 Lastwagen der 18. Brigade der Dritten Tawakalna Division. Von den 900 Mann der irakischen Brigade überlebten nur 40, von McMasters Panzern wurde kein einziger getroffen, wie der US-General Daniel Bolger in seinem Buch "Why we lost - A General’s Inside Account of the Iraq and Afghanistan Wars" schreibt.
Nach dem Irak-Krieg begann McMaster 1992 mit einem Studium der Militärgeschichte an der Universität von Chapel Hill in North Carolina. 1997 wurde seine Dissertation "Dereliction of Duty: Lyndon Johnson, Robert McNamara, the Joint Chiefs of Staff, and the Lies That Led to Vietnam" veröffentlicht. In der Dissertation, die später als Buch veröffentlicht wurde, erhebt McMaster schwere Vorwürfe: Wieso hatten damals führende Militärs des Generalstabes ihre Stimme nicht erhoben, obwohl sie mit der Pentagon-Politik alles andere als einverstanden waren. Die Top-Militärs wussten, dass Präsident Lyndon B. Johnson und Verteidigungsminister Robert McNamara unbedingte Loyalität wichtiger war als offene Worte und ehrlicher Rat. Um ihre Karrieren nicht zu gefährden, stimmten sie der Pentagon-Strategie stetiger Eskalation zu, obwohl sie selbst nicht daran glaubten, so McMaster in seinem Buch. McMaster spart in seiner Dissertation nicht mit harten Worten. Sein Schlusssatz behandelt die Fehler des damaligen US-Präsidenten Johnson und seiner militärischen und zivilen Berater: "Arroganz, Schwäche, Lügen zum eigenen Vorteil und das Abwälzen der eigenen Verantwortung auf das amerikanische Volk."
Man darf gespannt sein, ob McMaster jener Mann sein wird, der im Ernstfall seinem Commander in Chief Donald Trump, der nie bei der Armee war, eines Tages reinen Wein einschenkt.
Dazu kommt, dass Donald Trump notorisch beratungsresistent ist. Seit seinem Sieg, an den so gut wie keiner der Insider in Washington, D.C. jemals glauben wollte, glaubt der mehrfach bankrottgegangene Immobilientycoon, er könne über Wasser gehen, wie manche politische Beobachter witzeln.
Dazu kommt, dass McMaster - im Gegensatz zu Harward, der den Job des Nationalen Sicherheitsberaters, den McMaster nun bekleidet, ablehnte - aktiver Militär ist und bleibt. Traditionellerweise hat ein Soldat in Uniform einen viel kleineren Spielraum im Umgang mit seinem Oberbefehlshaber als ein Zivilist. "Wenn man die Uniform trägt und der Präsident hat eine Bitte, dann lautet die Antwort: ‚Yes, Mr. Presisident‘, zitiert Dan De Luce auf der Website des Außenpolitik-Fachblatts "Foreign Policy" Peter Mansoor, einen engen Freund von McMaster, der mit ihm gemeinsam im Irak stationiert war. Gleichzeitig beeilt man sich im Weißen Haus zu beteuern, dass McMaster volle Eintscheidungsfreiheit über sein Team habe, wie eine Sprecherin betonte. Trumps Beharren auf den früheren Kommentator des konservativen Murdoch-Senders Fox, K.T. McFarland, als stellvertretenden Sicherheitsberater war zuvor einer der Hauptgründe gewesen, warum McMasters Vorgänger Harward darauf verzichtet hat, den Job, den Trump ihm angeboten hat und den McMaster nun innehat, zu übernehmen.
Dass es zu Spannungen zwischen Trump und McMaster kommen wird, ist so gut wie sicher: Trumps Sofastrategen-Weltsicht ist schwarz-weiß, jene von McMaster kennt viele Grauschattierungen.