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"Videospiele bilden unser Weltbild ab"

Von Alexander U. Mathé

Politik
Der einsame Held in "Days Gone" weiß nach dem Systemkollaps ohne viel nachzufragen, wo es lang geht.
© Screenshot/Sony Interactive Entertainment

Experte Eugen Pfister erklärt, wie im Gaming einer bestimmten Politik der Boden bereitet wird.


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Videospiele sind in der Gesellschaft nicht nur angekommen, sondern betreffen alle vom Vorschulkind bis zum Pensionisten. Die "Wiener Zeitung" hat mit dem Historiker und Politologen Eugen Pfister die politische Dimension des Gamings erörtert.

"Wiener Zeitung": Können Videospiele auch politisch sein?Eugen Pfister: Ja, natürlich. Spiele entstehen nicht im politikfreien Raum und kommunizieren deshalb immer auch Weltbilder und gemeinsame Werte. Sie reproduzieren einfach in gewisser Weise die Welt, wie sie von uns wahrgenommen wird. Damit bestätigen sie dominante Weltbilder und wir verinnerlichen das dann auch beim Spielen. Man spricht da von Mediensozialisation.

Wie kann das konkret aussehen?

Ein sehr verbreitetes Narrativ ist gerade die Geschichte vom Zusammenbruch des Staates, vor allem in Zombiespielen, aber nicht nur dort. Angesichts einer meist externen Bedrohung bricht das überforderte System zusammen und nur ein einsamer - meist männlicher - Held kann dann noch für Ordnung sorgen. Der braucht mit niemand anderem Rücksprache zu halten. Er weiß als einziger Bescheid, was zu tun ist, und rettet die Welt.

Schnell überlegt, klingt das ein wenig nach Donald Trump, oder?

Genau! Vor allem in den USA zeigt sich eine starke Überschneidung zwischen Populärkultur und dem politischen Diskurs. Das gilt aber mittlerweile auch für viele rechte europäische politische Strömungen. Am Erfolg dieser ebenso simplen wie auch realitätsfremden Erzählung sind jetzt aber nicht ausschließlich Videospiele beteiligt. Auch Filme und andere Medien tragen dazu bei, ein bestimmtes Weltbild zu festigen. Sie greifen es auch auf, weil es schon erfolgreich ist. Es wäre also Unsinn Videospielen die Schuld daran zu geben, die haben in den letzten Jahren aber eine immer wichtigere Rolle gespielt.

Das heißt, Computerspiele sind zu so etwas wie ideologische Wegbereiter geworden. Geben sie unterm Strich unsere Art zu denken vor?

Nein, gar nicht. Denn Computerspiele erfinden diese Gedanken ja nicht neu, sondern nehmen ihrerseits bereits vorhandenes Gedankengut auf, das dann medial verarbeitet wird. Aber durch Computerspiele sind Menschen gedanklich schon auf bestimmte Szenarien vorbereitet. Das betrifft nicht nur die Politik. Für Spieler von Wirtschaftssimulationen ist es vollkommen natürlich, dass permanent irgendwo etwas effizienter gemacht werden muss.

Lassen sich Computerspiele als Propagandainstrument einsetzen?

Nicht wirklich. Eine Kollegin von mir, Sian Beavers hat gezeigt, dass Spieler hier besonders vorsichtig sind. Sie misstrauen Videospielen zum Beispiel besonders, wenn es um historische Inhalte geht, mehr noch als anderen Medien.

Aber könnte man nicht über Computerspiele mit einem zu erwartenden Millionenabsatz subtil Wertevorstellungen transportieren?

Die sogenannten Triple-A-Titel funktionieren umgekehrt. Da geht es um hunderte Millionen Euro. Die testen vorher nach allen Regeln der Kunst, was den Leuten gefällt, was gut ankommt und was nicht. Da werden vor der Veröffentlichung alle Kanten weggeschliffen. Am Ende bilden sie deshalb in der Regel das herrschende Weltbild ab.

Was sagen Computerspiele über die aktuelle politische Situation aus?

Es ist schon auffällig, dass es in einen unverhältnismäßig hohen Anteil an Computerspielen um Konflikte geht. Kooperative Spiele, in denen gemeinsam etwas geschaffen wird, sind leider noch die Ausnahme. Es fällt mir außerdem auf, dass vor allem "europäische Werte" wenig vertreten sind in einer Welt aus Krieg, Konkurrenz und Effizienzsteigerung. Der erwähnte einsame Held beispielsweise widerspricht dem europäischen Nachkriegs verständnis. Das hängt aber wohl damit zusammen, dass die großen Spieleentwickler weltweit vor allem immer den amerikanischen Markt vor Augen haben.

Zur Person~Eugen Pfister ist Historiker und Politikwissenschafter, mit Schwerpunkt auf Videospielen. Er leitet derzeit das Forschungsprojekt "Horror-Game-Politics" an der Hochschule der Künste Bern. An der Österreichischen Akademie der Wissenschaften hat er die politische Kommunikation in digitalen Spielen untersucht.