Vorsitz ließ keine Zeit mehr für Tourismuswerbung. | Die Union fand wieder mehr Ruhe. | Schüssel konnte sich profilieren, die SPÖ blieb abseits. | Zum zweiten Mal in seiner Geschichte war Österreich ein halbes Jahr lang - bis zum heutigen Freitag - jenes Land, das den Vorsitz bei den Begegnungen der EU-Staaten führte. Zum zweiten Mal wurde dadurch ein Irrglaube ausgelöst: Dass das jeweilige Präsidentenland die EU führe.
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In Wahrheit sitzt es ihr - oder genauer gesagt: einer einzigen ihrer Institutionen, nämlich dem Rat, - nur vor. Es wäre fatal, und keine Organisation könnte das überleben, würde der Karren alle sechs Monate in eine gänzlich andere Richtung gezerrt. Ein EU-Präsident kann nur behutsam - und ganz selten mit Druck - Kompromisse herbeiführen. Aber er kann nicht, wie es sich manche vorgestellt haben, die EU etwa für sechs Monate auf einen Anti-Atomkurs zwingen.
Eine Präsidentschaft konsumiert dennoch unglaublich viele Energien. Ihretwegen sind Dutzende pensionierte Botschafter und hunderte andere Mitarbeiter aktiviert worden. Ihretwegen sind 80 Millionen (oder auch mehr, die Abrechnung steht noch aus) Euro ausgegeben worden.
Diese Aufgabe ließ auch nicht allzu viel Zeit für den österreichischen Hang zur touristisch wirksamen Selbstdarstellung. Zwar hat fast jeder Minister seinen jeweiligen Rat zu einer Sitzung in sein Heimat-Bundesland verschleppt; aber dennoch hat sich Österreich völlig vom Grundkonzept der ersten Präsidentschaft lösen müssen: dass diese Funktion primär zur kulturell-touristischen Eigenpräsentation im Hotel am Wörthersee diene.
Die Präsidentschaft war harte politische Arbeit - mit ein bisschen Beiwerk an Sicherheit oder Kultur. Dieses Beiwerk wurde bravourös gemeistert - auch wenn sich die Regierung beim abgeschirmten Besuch des amerikanischen Präsidenten etlichen Bürger-Unmut eingehandelt hat. Aber wirklich wichtig ist nur eines: die politische Gestaltung der Union.
Hunderte Sitzungen mit jeweils 25+2 Nationen zu leiten, ist eine gewaltige Herausforderung. Wer einmal, wenn auch nur als "Experte", an einer Rats-Arbeitsgruppe teilnehmen durfte, ist von der Schwierigkeit beeindruckt. Da wird abwechselnd ohne Übersetzung in mehr oder weniger gutem Englisch oder Französisch gesprochen. Jeder liest ein vorbereitetes Statement mit oft sehr unterschiedlichen Aspekten ab. Es dauert drei Stunden, bis jeder auch nur einmal etwas gesagt hat. Man kommt oft erst zehn Redner nach dem Zeitpunkt zu Wort, da man darum gebeten hat. Da ähnelt sogar eine Parlamentssitzung viel mehr einem Dialog.
Mit anderen Worten: Wirkliche Willensbildung kann kaum noch wie zu Zeiten der sechs Gründungsmitglieder in Sitzungen stattfinden, sondern nur noch außerhalb.
Die Opposition hat eine Chance vergeben
Wie ist nun die Präsidentschaft zu bewerten? Wenn der Bundespräsident, der oft zu kleinen Spitzen gegen die Regierung bereit ist, meint, dass die Präsidentschaft Österreich einen Namen verschafft hat; wenn selbst Oppositionschef Alfred Gusenbauer zugibt, dass nichts wirklich schief gegangen ist, dann sind das Indizien einer relativ erfolgreichen Periode. Dazu kommen Höflichkeiten aus dem Ausland, die aber vielleicht nur Routine sind.
Dabei hat sich Gusenbauer in einem taktischen Fehler selbst aus dieser Präsidentschaft hinausgeschossen, als er das Angebot der Regierung ablehnte, während dieser Zeit institutionalisierte Konsultationen zu führen. Damit hätte er sich als staatstragend profilieren und die Präsidentschaft zu einem gemeinsamen Erfolg machen können. Freilich wäre er auch in das Risiko von Fehlschlägen eingebunden gewesen. Die Optik der SPÖ besserte sich auch nicht durch das Abstimmungsverhalten ihrer Abgeordneten, die im EU-Parlament gegen den Kompromiss über die EU-Budgets gestimmt haben (der aber mit 440 zu 190 durchging). Und zwar mit der Begründung: Sie wollten mehr Geld für das Budget. Was für ein Nettozahlerland wie Österreich deutlich mehr Zahlungen bedeutet hätte.
So blieb allein die Regierung im Rampenlicht. Wo sie zumindest zwei große Erfolge, aber auch etliche Misserfolge aufzuweisen hat.
Dienstleistungen: der umstrittene Erfolg
Erster Erfolg: Österreich hat den Langzeitstreit um die Finanzierung der mit 25 bzw. 27 Mitgliedern sehr teuer gewordenen Union für die Finanzperiode 2007 bis 2013 beenden können. Die Big Spender in Kommission und Parlament konnten sich nur teilweise durchsetzen.
Zweiter Erfolg: Es kam zu einem Konsens über die Dienstleistungsrichtlinie . Das war ein überaus mühsamer Kompromiss. Er ist ein Eckpfeiler des Binnenmarkts. Dadurch entstehen auch etliche Arbeitsplätze. Freilich werden es deutlich weniger als die 600.000 sein, die Experten prophezeit hatten, falls der Entwurf der Kommission angenommen worden wäre.
Das unbürokratische Herkunftslandprinzip, das einen deutlichen Wachstumsschub ausgelöst hätte, wurde unter dem Druck der protektionistischen Gewerkschaften und Lobbies gestrichen. Ihm zufolge hätte nur die Rechtsordnung des Heimatlands für in anderen EU-Ländern tätige Dienstleister gegolten. In der endgültigen Regelung werden nun lediglich "diskriminierende bzw. unverhältnismäßige Hürden" für Anbieter aus anderen EU-Ländern verboten. Das verschafft allerdings primär den Anwälten mehr Arbeit; denn solche Gummiformulierungen lösen vor allem einmal Rechtskonflikte aus.
Darüber hinaus können sich viele Branchen der ausländischen Konkurrenz ganz entziehen: Die sogenannte Daseinsvorsorge (worunter insbesondere die kommunalen Monopolisten verstanden werden), der Sozialbereich, Finanzdienstleister und Notare sind ausgenommen.
Die Erkenntnis, dass die freie Marktwirtschaft die Daseinsvorsorge, etwa bei Essen, Trinken und Wohnen, viel besser regelt als staatliche Monopolisten, hat sich in der EU noch nicht herumgesprochen.
Viele Krisen in der Außenpolitik
Überraschend intensiv war Österreich auf dem Feld der Außenpolitik gefordert. Hier gab es freilich genauso Erfolge wie Misserfolge.
+ Österreich hat bei der Gaskrise im Jänner etliche Vermittlungsschritte zwischen Russland und der Ukraine setzen können.
+ Es hat nach der Karikaturenkrise immerhin die erste Begegnung arrangiert, bei der (in Wien) hohe moslemische Würdenträger und ein dänischer Minister an einem Tisch gesessen sind - und das in einer freundlichen Atmosphäre.
- Allerdings hatten sich viele zuvor ein etwas prinzipienbewussteres Auftreten der EU gewünscht, das den hohen Wert der Meinungsfreiheit ohne Wenn und Aber verteidigt. Statt dessen ist man optisch vor dem auf Knopfdruck hochgezwirbelten islamischen Zorn zurückgewichen. Wobei auch Österreich die Gefahr übersehen hat: Wenn man einmal einer Erpressung nachzugeben scheint, öffnet man weiteren Erpressungen Tür und Weg. Das unbefriedigende Ergebnis: Christliche Werte und Religionsinhalte darf man in Europa schmähen, wie man will (etwa wenn man als progressiver Künstler seinen Marktwert erhöhen möchte). Der Islam hingegen wird trotz des Grundrechts der Meinungsfreiheit durch eine Käseglocke geschützt.
+ Ein nachhaltiger Erfolg ist der kontinuierlichen Politik Österreichs in Mittelosteuropa beschieden: Von der Slowakei bis Kroatien sind da tragfähige Freundschaften aufgebaut worden. Was umso wichtiger ist, als Österreich seit dem Abschied des austrophilen Helmut Kohl keine besonderen Freunde in der EU hat.
+ Durchaus ordentlich hat Österreich auch zwei große Gipfeltreffen organisiert. Jenes mit Lateinamerika blieb zwar substanzlos; aber da liegt die Schuld vor allem bei den beiden populistischen Chaoten aus Venezuela und Bolivien. Diese wurden in Wien zwar von Grünen und ORF lautstark bejubelt, sie stehen aber in Wahrheit jeder sinnvollen Kooperation im Wege.
Das Treffen mit dem amerikanischen Präsidenten wurde aus jenem Eck zwar weniger bejubelt, es brachte aber neben einer atmosphärischen Beruhigung doch auch die bisher konkreteste Festlegung von George Bush, das Lager Guantànamo zu schließen.
Wenig Fortschritte auf dem Balkan
- Mager und schmerzhaft ist die Bilanz der Außenpolitik dort, wo Wien selbst öffentlich Akzente versprochen hat: nämlich auf dem Balkan . Da wurden weder für Bosnien noch für Kosovo wirklich zukunftweisende Schritte gesetzt, die ein Ende der frustrierenden Rolle Europas als Kolonialmacht wider Willen näher gebracht hätten.
+ Positiv zu Buche schlägt freilich in jener Region der glatte Übergang Montenegros in die Unabhängigkeit. Denn er fand unter der Oberaufsicht der Europäischen Union statt.
- Im Nahen Osten ist alles andere als eine erfolgreiche Bilanz zu ziehen. Durch den Wahlsieg der Hamas war eine nicht bewältigbare Gratwanderung auf die Europäer zugekommen, die ja der Hauptfinancier der Palästinenser gewesen waren.
Respekt oder Einfluss haben sie sich weder als Zahler noch als zeitweiliger Zahlungsverweigerer erwerben können. Und die Wiederbesetzung des Gaza-Streifens in den letzten Stunden wirft den schwärzesten Schatten auf das Ende der Präsidentschaft.
- Wenig Gewicht hatte Österreich auch in einem weiteren gefährlichen Konflikt, nämlich den um die iranische Atompolitik . Wohl wurde ein wichtiger Schritt im diplomatischen Gefecht um Iran in Wien gesetzt - aber die fünf wichtigsten Außenminister der Welt tagten hier, ohne dass Österreich mit am Tische gesessen wäre.
+ Der größte Erfolg der österreichischen Präsidentschaft ist wohl der, dass es für die europäische Idee keinerlei ernste Rückschläge gegeben hat. Das klingt zwar bescheiden, ist nach den Turbulenzen des Vorjahres schon ein Wert an sich. Die Lage in der Union hat sich atmosphärisch wieder harmonisiert.
Auch Österreich konnte die tiefe Existenzkrise der EU nur beruhigen, nicht lösen
Wolfgang Schüssel hat in diesem Halbjahr zweifellos keine so historische Rede wie Tony Blair gehalten - er hat dafür aber im Gegensatz zu seinem Vorgänger als Präsident auch keine neuen Polarisierungen entstehen lassen.
Hinter den zentralen und teilweise spektakulären Themen des letzten Halbjahrs hat es eine Fülle geglückter wie auch gescheiterter Arbeit an einzelnen Richtlinien und Verordnungen gegeben, deren Aufzählung aber jeden Rahmen sprengen würde.
- Zwei Minuspunkte seien aber erwähnt: Karl-Heinz Grasser ist etwa mit seinen Steuer-Vorschlägen gescheitert. Auch ist es unter Österreich auffallend still geworden um die Pläne des Vorjahres, die EU durch Abschaffung vieler (Über-)Regulierungen zu entbürokratisieren.
Unberechtigt erscheint hingegen die häufig geäußerte Kritik, dass Österreich bei zwei zentralen Themen der EU keinen Durchbruch geschafft hat: bei der Erweiterungsfrage und bei der europäischen Verfassung.
A.Erweiterung:
Hier ist die Aufnahme Bulgariens und Rumäniens ab 2007 wahrscheinlicher, aber noch nicht fix geworden. Vor allem in Bulgarien gibt es in Sachen Korruption keine wirklichen Fortschritte mehr, seit dort die Ex-Kommunisten wieder zur führenden Kraft geworden sind.
Die Verhandlungen mit Kroatien sind gut angelaufen, aber noch weit von allen Entscheidungen.
Noch schwieriger geht es rund um die Türkei zu. Obwohl diese sich weiterhin weigert, das Mitgliedsland Zypern anzuerkennen, obwohl sich die Menschenrechtslage verschlechtert hat, gelang es nicht, ein starkes und kritisches Zeichen gegen die Mitgliedschaft Ankaras zu setzen. Das wäre aber unter österreichischer Präsidentschaft auch besonders schwer gewesen, denn der Präsident ist ja bei internen Debatten zur Neutralität angehalten - Österreich gilt aber als antitürkische Speerspitze.
B.Verfassung
Auch da ist Österreich nicht erfolgreich gewesen. Die Mitgliedsländer wurden sich nur einig, dass man die "Reflexionsphase" , die eigentlich zu Ende gehen hätte sollen, weiter verlängert. Mehr wäre freilich so gut wie unmöglich gewesen. Denn im kommenden Jahr stehen sowohl in Frankreich wie in den Niederlanden Wahlen an, vor denen jede Bewegung absolut sinnlos ist. Statt "Reflexion" sagt man deshalb ab jetzt "aktive Reflexion". . .
Verbal einig ist man sich zwar, dass vor den Europawahlen 2009 eine Lösung notwendig ist. Nur sagt niemand, wie das möglich sein soll beziehungsweise was passiert, wenn man keine Lösung findet. Die Verantwortung wurde gleich auf Deutschland überwälzt, das 2007 Präsident wird.
Paris und Den Haag kommen aus dem Veto ihrer Bevölkerung nicht heraus; von London bis Prag gibt es massive Kritik am Verfassungsentwurf. Andererseits werden mit Beitritt Rumäniens und Bulgariens sowie dem bevorstehenden Ja Finnlands 18 von 27 Ländern bereits rechtsverbindlich ja zur Verfassung gesagt haben. Die Verfassungs-Freunde hoffen, dass daraus eine kritische Masse entsteht, der sich auch die Skeptiker nicht mehr entziehen können. Insbesondere Deutschland kämpft gegen jedes Aufschnüren des Verfassungsvertrags.
Wenig Chancen für Schüssel-Plan
Zahllos sind die Überlegungen rund um die Verfassung, die alle keine wirkliche Lösung bringen: Die einen wollen etwa das Wort Verfassung einfach durch das Wort Vertrag ersetzen. Andere wollen bestimmte Politikbereiche schon vor einer Verfassung neu regeln: Etwa durch eine gemeinsame Außenpolitik im Bereich Energie oder durch Mehrheitsabstimmungen im bisher nur einstimmig regelbaren Bereich Justiz und Inneres (durch ein gemeinsames Vorgehen gegen Terrorismus, Kriminalität, Drogen und Menschenhandel). Vor allem Frankreich und Niederlande wollen solcherart die bestehenden Verträge ausreizen.
Wenig Erfolgsaussichten hat auch der Plan des österreichischen Bundeskanzlers, eine gesamteuropäischen Volksabstimmung abzuhalten, bei der (nur) eine Mehrheit von Staaten und Menschen der neuen Verfassung zustimmen müsste und nicht jeder Staat einzeln. Da ein solcher Abstimmungsmodus ja noch einen weitergehenden Verzicht auf Souveränität darstellt als die Verfassung, und da natürlich auch dieser Plan erst einstimmig angenommen werden müsste, ist das Scheitern programmiert.
Wenig Auswirkungen auf die Innenpolitik
Was bedeutet das alles in einem Wahljahr für die österreichische Innenpolitik? Sehr wenig, wie alle Umfragen bestätigen. Dennoch kann es keinen Zweifel geben, dass sich das Image Wolfgang Schüssels als erfahrener und respektierter Regierungschef gefestigt hat, der mit Bush oder Putin auf gleicher Augenhöhe konferiert. Wovon alle Oppositionsführer naturgemäß meilenweit entfernt sind.
Nicht geändert hat sich aber in dieser Zeit die große Skepsis der Österreicher gegenüber der EU. Nur 31 Prozent halten die Mitgliedschaft für eine gute Sache. Trotzdem weiß eine konstante Mehrheit, dass ein Austritt keine sinnvolle Option ist. Vielen Österreichern sind freilich die Vorteile der Mitgliedschaft nie bewusst gemacht worden. Nur ganz wenige wissen etwa um die gewaltigen 25 Prozentpunkte Wachstumsunterschied, die seit 1995 im Vergleich von Österreich und dem Nicht-Mitglied Schweiz entstanden sind. Die Werbung für die EU ist oft zu oberflächlich und belehrend. Es gibt keine tiefgehende Debatte über die Zukunft der Union. Viele Kunstprojekte etwa blieben lediglich peinlich.
Auch ist die Rolle der Union bei den Dingen, die den Österreichern wirklich Sorgen machen, nicht bekannt - zum Gutteil, weil es gar keine klare EU-Politik gibt: etwa in Hinblick auf die Massenmigration oder auf den Geburtenrückgang.
Ein Land, in dem von den Medien bis zu den Schulen oder auch Unis der Nutzen einer liberalen Wirtschaftsordnung kaum bewusst ist, kann seinen Bürgern die wirklichen Erfolge der EU, die durch die Liberalisierung erzielt worden ist, nicht wirklich vermitteln.
Das "Wir-Gefühl" blieb bei den Ländern
Überdies stellen viele Politiker alle Vorteile Europas als eigenes Verdienst dar; die dabei entstehenden Kosten und Überregulierungen schieben sie aber gerne einer anonymen Union in die Schuhe. In Europa ist auch noch immer kein Hauch eines "Wir-Gefühls" entstanden, so wie es etwa jede Fußballnationalmannschaft für das eigene Land schafft. Was man in diesen Tagen deutlich sehen kann.
Europa drückt sich sogar um eine Debatte über seine geistigen Wurzeln. Es flüchtet sich in einen aggressiven Laizismus, gegen den die von Kommissionspräsident Barroso und Schüssel initiierten Dialoge mit Religionsführern nicht wirklich ankönnen. Europa weiß nicht einmal, wo es geographisch aufhört.
Die vielen Defizite der EU bleiben bestehen
Europa sind vor allem seine zwei wichtigsten Antriebskräfte verloren gegangen: Das "Nie wieder Krieg zwischen Deutschland und Frankreich" und die Herausforderung durch die kommunistische Bedrohung für Freiheit und Wohlstand.
Der Lissabon-Prozess, also das utopische Ziel, im Wachstums-Wettbewerb Weltmeister zu werden, ist längst wieder durch wohlfahrtsstaatlichen Romantizismus ersetzt worden. Dieser sorgt naturgemäß auch für überaus hohe Arbeitslosenzahlen, die auch in Konjunkturzeiten kaum noch zurückgehen.
Europa hat sich schließlich nie wirklich entscheiden können, ob es ein Staatenbund oder ein Bundesstaat ist.
Es hat nie die Balance zwischen Großen und Kleinen gerecht und effizient regeln können.
Es hat sich nicht gegen das große Gründungsland Frankreich durchsetzen können, das auf vielen Gebieten einen brutalen Protektionismus praktiziert.
Es mischt sich dafür in viele Lebensbereiche ein, wo es keine Notwendigkeit für eine Vereinheitlichung gibt: bei Nichtraucher- oder Gleichbehandlungs-Richtlinien etwa.
Europa hat es auch nie geschafft, eigenständig - ohne USA - zu einem militärischen und damit weltpolitischen Faktor zu werden. Es verspricht zwar immer wieder den Bürgern, eine Sicherheitsgemeinschaft zu werden, schafft das aber nicht. Was ebenfalls das Vertrauen in die EU schwächt.
Europa spricht zwar viel von gemeinsamer Außenpolitik, aber Großbritannien und Frankreich denken nicht daran, ihren privilegierten Status als Veto-berechtigtes Mitglied im Sicherheitsrat aufzugeben.
Europa wird durch den Machtkampf zwischen Rat, Kommission, Parlament, EuGH sowie nationalen Regierungen, Parlamenten und Gerichten immer mehr paralysiert - auch die Verfassung hätte diesen Kampf nicht entschieden. Wenn man immer mehr Gremien Mitsprache gibt, reduziert das immer mehr die Effizienz.
Es ist zu befürchten, dass Europa höchstens dann wieder zu neuer Vitalität erwacht, wenn es durch eine massive Krise erschüttert wird. Die aber niemand den Europäern wünscht.