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Viel Gerede bei wenig Taten

Von Heike Hausensteiner, Straßburg

Europaarchiv

Die Bilanz über das diesjährige "Europäische Jahr der Menschen mit Behinderung" fällt ernüchternd aus. Die EU lässt jedoch nicht locker und will den Druck auf die Mitgliedstaaten erhöhen, um die Situation für Behinderte zu verbessern.


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Mehr als 37 Millionen zählt derzeit die EU - Menschen mit Behinderung, "die sehr oft mit Benachteiligungen und Diskriminierung zu kämpfen haben", konstatiert ÖVP-EU-Abgeordnete Othmar Karas. Ob im Bus oder im Flugzeug, Behinderte würden immer noch diskriminiert. Und zwar sei das nicht die Ausnahme, sondern die Regel, pflichteten ihm seine Kollegen im Europäischen Parlament bei. Die zuständige EU-Sozialkommissarin Anna Diamantopoulou monierte bei ihrem Bericht in Straßburg, dass die Umsetzung der Anti-Diskriminierungsrichtlinie der EU vieles zu wünschen übrig lasse. Lediglich zwei Mitgliedstaaten haben ihren Angaben zufolge erst das EU-Rahmengesetz in innerstaatliche Regelungen umgesetzt. Die Frist dazu läuft Ende Dezember aus. So manche Europa-Parlamentarier würden daher am liebsten gleich ein Strafverfahren gegen die säumigen Länder eingeleitet sehen. Bei Diskriminierung im Berufsleben müssten schmerzhafte Sanktionen verhängt werden können, meinte SPÖ-EU-Abgeordnete Harald Ettl.

EU-Druck auf Staaten

Doch die Kommission will vorerst mittels "Aktionsplan" den Druck auf die staatlichen Gesetzgeber erhöhen. Dank der "neuen Technologien" etwa sollen Behinderte verstärkt in den Arbeitsmarkt integriert werden; durch Verbesserungen der Infrastruktur soll ihnen der Zugang zu öffentlichen Gebäuden erleichtert werden. Auch im öffentlichen Beschaffungswesen - namentlich im Transport- und im Dienstleistungsbereich oder bei den Produktionsmethoden - müssten diese Anliegen berücksichtigt werden, forderten die EU-Parlamentarier. "Die möglichste enge Zusammenarbeit der öffentlichen und staatlichen Stellen mit Menschen mit Behinderung" sei ein wesentlicher Aspekt, so Karas. Ein erster Schritt ist für Ettl, Mitglied des EU-Sozialausschusses, Behinderten bereits bei den Europawahlen im nächsten Jahr die Wahlmöglichkeit per Internet zu geben. Ettl selbst will mit gutem Beispiel vorangehen und seine Homepage behindertengerecht gestalten (http://www.harald-ettl.at/ ).

Gegen simple "Absichtserklärungen" sprach sich der italienische EU-Abgeordnete Mario Mantovani aus; auch lehnt er eine "sektorale Integration" von Behinderten ab, sondern man müsse bereits in der Schule ansetzen. "Wir müssen das Problem integriert wie bei der Chancengleichheit für Frauen und Männer in Angriff nehmen", so Mantovani. Also völlige Gleichstellung und kein abwertendes Bemitleiden. In Bezug auf das EU-Recht forderten einige Abgeordnete, die Veto-Möglichkeit für einen Mitgliedstaat abzuschaffen.

Behinderte ohne Ausweis

Alarmiert sind die europäischen Volksvertreter auch angesichts der bevorstehenden EU-Erweiterung. In den Beitrittsländern seien die Probleme für Menschen mit Behinderung noch größer. Viele von ihnen hätten nicht einmal Anspruch auf einen Personalausweis. Daher gebe es keine genauen Angaben über die Anzahl der Betroffenen.