Emotionen bei Pro:woman-Festakt. | Sprechchöre, Blutbilder und wilde Anschuldigungen. | Wien. "Wir sind hier, um noch mehr Mord zu verhindern", erklärt eine etwas bieder wirkende, ein Kreuz um den Hals tragende Frau theatralisch. Lautstarken Sprechchören wie "Hätte Maria abgetrieben, wäret ihr uns erspart geblieben" gaben sich daneben junge Linke enthusiastisch hin.
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Sehr emotional ging es beim Zusammentreffen am Donnerstag Abend vor dem Wiener Rathaus zwischen den Abtreibungsbefürwortern und -gegnern zu. Bereits vorige Woche hatte die von Bürgermeister Michael Häupl angekündigte Feier anlässlich des 30-jährigen Bestehens des Abtreibungs-Ambulatoriums am Fleischmarkt Proteste - vor allem des Wiener Erzbischofs Christoph Schönborn - ausgelöst, die nun ihren Höhepunkt erreichten.
Still und mit ernsten Gesichtern hielten Abtreibungsgegner - darunter Nonnen, Mönche, christliche Ärzte und auffallend viele Menschen in Trachtenkleidung - Schilder mit Slogans wie "300.000 abgetriebene Kinder klagen an" oder "Pro:woman macht Geld mit der Not von Frauen" in die Höhe. Vor allem von der Partei Die Christen mobilisiert, verurteilten sie mit blutigen Bildern von toten Föten - die zum Teil SPÖ-Politikern gegenübergestellt wurden - das 30-Jahr-Jubiläum. Es wurde getrauert, mit Friedhofslichtern in den Händen und ernsten Mienen. Um "all die ermordeten Kinder".
Dass Schwangerschaftsabbruch-Ambulatorien mit Konzentrationslagern verglichen werden, wollte sich Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek bei der Solidaritätskundgebung der SPÖ-Frauen auf der gegenüberliegenden Seite aber nicht gefallen lassen.
"Kein Psychoterror"
Und auch nicht, dass die Abtreibungskliniken "nicht immer ohne Psychoterror" (die "Wiener Zeitung" berichtete) betreten werden können. Sie habe bereits mit Innenministerin Maria Fekter über die Einrichtung von bundesweiten Schutzzonen gesprochen, erklärte Heinisch-Hosek den jungen und liberal wirkenden Zuschauern bestimmt, was diese mit tosendem Applaus goutierten. Auch ihre pensionierte Amtskollegin Johanna Dohnal ergriff das Wort: Sie sprach sich für die Durchführung von Abtreibungen in allen öffentlichen Krankenhäusern aus und erinnerte an die Frauenbewegung früherer Zeiten. "Die Fristenlösung kann uns niemand mehr wegnehmen", versicherte Dohnal ihren Zuhörern.
Erstaunt von der starken Resonanz der Feierlichkeit zeigte sich die Gastgeberin, Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely: "Ich habe nicht damit gerechnet, dass die Fristenlösung, die es seit fast 35 Jahren in Österreich gibt, noch immer nicht akzeptiert wird."
Obwohl von einem älteren Herrn in Lodenjacke stark angezweifelt, waren laut Polizei beide Seiten mit jeweils 350 Menschen gleich stark vertreten. "Ja, genau - da sieht man wieder, wie die Polizei versucht, die Presse zu beeinflussen - die anderen sind doch höchstens 70." Aber nicht nur die Anzahl der Demonstranten stellte eine Gemeinsamkeit der beiden Lager dar: Beide pochen auf Menschenrechte - die einen auf das Recht der Ungeborenen auf Leben, die andern auf das Selbstbestimmungsrecht der Frauen.