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Gegenseitige Schuldzuweisungen: Nach der Absage des Hadsch für Perser schalten der Iran und Saudi-Arabien auf stur.
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Teheran/Riad/Wien. Noch Anfang Februar hatte der saudi-arabische Außenminister Adel al-Jubeir versichert, dass die politischen Spannungen zwischen Saudi-Arabien und dem Iran keine Auswirkungen auf die muslimische Pilgerfahrt nach Mekka hätten. Dennoch wird wohl kein Perser in diesem Sommer nach Mekka reisen.
"Wegen Hindernissen von Seiten Saudi-Arabiens können sich iranische Pilger leider nicht an dem Hadsch beteiligen", sagte Irans Kulturminister Ali Jannati. Nach Angaben Saudi-Arabiens reiste eine iranische Delegation am vergangenen Freitag ab, ohne dass eine abschließende Einigung erzielt wurde. Das Hadsch-Ministerium erklärte, es habe in den zweitägigen Gesprächen "viele Lösungen" angeboten, um auf die iranischen Forderungen einzugehen. In einigen Punkten habe es eine Einigung gegeben, unter anderem über die Verwendung elektronischer Visa. Da die Vertretung Saudi-Arabiens im Iran aber seit einem Angriff auf die Botschaft in Teheran im Jänner geschlossen ist, hätten die Visa ausgedruckt werden können, erklärte das Königreich. Iranischen Angaben zufolge bestand die Regierung in Riad jedoch darauf, dass die Visa von einem Drittland ausgestellt werden. Zudem habe sie iranischen Flugzeugen mit Pilgern keine Landeerlaubnis in Saudi-Arabien geben wollen.
Explosive Stimmung nach Hadsch-Absage
Der Angriff auf Riads Botschaft war eine erboste Reaktion auf eine Massenexekution von 47 Menschen Anfang Jänner in Saudi-Arabien, bei der auch der hohe, im Iran sehr angesehene schiitische Geistliche Nimr al-Nimr hingerichtet worden war.
Seit der Torpedierung des Hadsch für Perser ist die Stimmung jedenfalls angespannt. In sozialen Medien brodelt es, es gibt bissige Kommentare und Gesten der Verachtung auf beiden Seiten.
Einige Saudis jubelten in Internetforen, dass persische Pilger heuer fernblieben. Die Perser konterten mit Provokationen. "Wir haben 5000 Flaggen bestellt, auf denen ein großer Löwe zu sehen ist. Im Maul zerreißt er eine saudische Flagge. Drüber steht ‚Persia‘", schildert Ehsan Iraji im Telefongespräch der "Wiener Zeitung". "Wir wollen ein Zeichen setzen und den barbarischen Saudis zeigen, dass wir erhabener sind als sie." Im Teheraner Stadtteil Farmanie, wo der 29-jährige Student wohnt, sind viele erzürnt über Saudi-Arabiens Verhalten. "Die Stimmung ist sehr explosiv. Es geht ja nicht nur um den Hadsch per se, es geht um eine gefährliche Gesamtentwicklung, die die Region zerschmettern könnte", befürchtet Ehsan.
Tatsächlich führen Riad und Teheran einen Stellvertreterkrieg um die regionale Vormachtstellung im Nahen und Mittleren Osten: Es gibt mehrere Konfliktfelder, die Stachel der konträren Positionen sitzen dabei tief beim jeweiligen Kontrahenten. Sei es nun der jüngste Zwist um die Pilgerfahrt nach Mekka - das Thema war durch das Hadschunglück vom Vorjahr, bei dem hunderte Iraner ums Leben gekommen waren, ohnehin belastet. Sei es das Pulverfass Jemen, wo Riad die Regierung in Sanaa unterstützt und Teheran vorwirft, aufseiten der Houthi-Rebellen aktiv zu sein. Auch im Syrien-Konflikt bestehen Interessenskonflikte. Teheran unterstützt den Langzeitpräsidenten Bashar al-Assad, die Saudis hingegen die Rebellen. Ein Ende des Zwists ist nicht in Sicht.
Große Empörung in iranischen Medien
Irans Medien jedenfalls widmeten dem Thema in den vergangenen Tagen viel Beachtung. "Kein Hadsch in diesem Jahr", titelte "Arman-e Emrooz". "Saudi-Arabiens Regierung raubt Iranern den Hadsch", empörte sich "Jomhouri Eslami". Einzig die Zeitung "Ghanoon" wagte es, auch die iranische Rolle bei der Eskalation der Spannungen kritisch zu beleuchten. "Ein Werk mit Absicht - wie der Hadsch für die iranischen Pilger annulliert wurde", titelte das Blatt und konzentrierte sich vor allem auf den eigenen Mob, der Anfang Januar die saudische Botschaft in Teheran angegriffen und teilweise in Brand gesteckt hatte.
Der Hadsch
Einmal im Leben muss jeder Muslim nach Mekka. Der Hadsch gehört zu seinen fünf Grundpflichten. 2015 nahmen zwei Millionen Gläubige aus aller Welt, darunter 60.000 Perser, an dem fünftägigen Ritual in Mekka teil. Allein im letzten Jahr bescherte der religiöse Massentourismus dem Königreich Saudi-Arabien Einnahmen von 18 Milliarden Dollar.