US-Diplomat: Wien hat führende Rolle auf dem Balkan. | Leiser Wunsch nach Engagement auch in Afghanistan. | Wien. Sämtlichen Kritikern des österreichischen Bundesheeres sei ein Kaffee mit James Joyce Townsend Jr. empfohlen. Dieser ist als stellvertretender Staatssekretär im US-Verteidigungsminister zuständig für Europa und die Nato und ganz nebenbei voll des Lobes für Österreichs Militär. Als politisch nominierter Beamter Teil der Obama-Administration, weilte er am Donnerstag zu Gesprächen in Wien. Diese drehten sich in erster Linie um die Zukunft des Balkan und die Konsequenzen der kürzlich präsentierten Leitlinien für eine neue Nato-Strategie für Nicht-Mitglieder wie Österreich, die aber über die Partnerschaft für Frieden dennoch mit dem Nordatlantik-Bündnis verbunden sind.
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Nato und Österreich hätten beide, so Townsend im Hintergrundgespräch mit Journalisten, ein elementares Interesse an der weiteren politischen Entwicklung am Balkan. Bei dessen Stabilisierung und Befriedung spiele Österreich aufgrund seiner historischen Beziehungen in der Region eine führende Rolle, das Bundesheer leiste "exzellente Arbeit". Dies soll, geht es nach den USA, auch in Zukunft so sein.
Sein Lob für die Arbeit des Bundesheeres am Balkan verknüpft Townsend mit dem diplomatisch verpackten Wunsch nach einem stärkeren internationalen Engagement: Österreichs Erfahrungen bei Friedenssicherung und zivilem Wiederaufbau würden auch in Afghanistan dringend gebraucht. Dort ist Österreich derzeit lediglich mit einigen Offizieren vertreten. Dieses Thema sei jedoch nur am Rande auf Beamtenebene angesprochen worden, eine Entscheidung Sache der Regierung.
Mit ihrer Reform, der im Herbst bei einem Gipfel in Lissabon beschlossen werden soll, will sich die Nato auf neue Bedrohungsszenarien vorbereiten. Fragen wie Cyber War, Energiesicherheit, die Folgen des Klimawandels oder die Verbreitung von Nuklearwaffen würden auch neutrale Staaten wie Österreich betreffen. "Auf diese Bedrohungen gibt es keine einfachen Antworten, schon gar keine rein militärischen", so Townsend. Beim Kampf gegen Cyber-Kriminalität schwebt der Nato vor, sich zu einem Kompetenzzentrum zu entwickeln, das auch Hilfsleistungen bei Anschlägen auf die Internet-Struktur eines Mitgliedslandes anbietet.
Fehlende Geldmittel können allerdings auch die beste Reform zu Fall bringen, das war nicht nur beim Bundesheer so. Praktisch alle westlichen Länder stehen unter enormem Spardruck, ihre ausufernden Staatsschulden einzudämmen - auch vor den Verteidigungsetats macht deshalb der Rotstift nicht Halt.
Townsend macht deshalb klar, dass die Nato bei internen Strukturen und Bürokratie abspecken muss, um Gelder freizuschaufeln, die für die Umsetzung der Reform dringend benötigt werden. "Für Business as usual ist jetzt nicht die Zeit, leider ist das aber sehr schwer umzusetzen."