Seit 2000 werden in Deutschland wieder Wölfe geboren. | Forscher ermittelten ideale Wolfsgebiete. | Berlin. Selbst in einem dichtbesiedelten Land wie Deutschland gibt es viel Platz für Wölfe, auch wenn die grauen Raubtiere den Menschen normalerweise möglichst weit aus dem Weg gehen.
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Als Felix Knauer vom Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie der Veterinärmedizinischen Universität Wien gemeinsam mit fünf Kollegen in Deutschland und Österreich im Auftrag des Deutschen Bundesamtes für Naturschutz mit Computermodellen nach geeigneten Lebensräumen für Wölfe suchte, spuckte der Rechner 441 mögliche Rudel für Deutschland aus. "Das heißt aber nicht, dass in Zukunft tatsächlich mindestens 2000 Wölfe hier leben werden", erklärt Knauer.
Bewiesen hat der Wolf indessen, dass er in Deutschland nicht nur zurechtkommt, sondern sich auch ausbreitet. Seit 1990 kamen häufiger einzelne Tiere aus Polen nach Deutschland. Im Jahr 2000 hatte dann ein Wolfspaar in der sächsischen Lausitz Nachwuchs, ungefähr 100 Jahre nach ihrer Ausrottung wurden zum ersten Mal wieder Wölfe in Deutschland geboren. Rund hundert Wolfsgeburten gab es seither im Land, inzwischen streifen durch Sachsen, Sachsen-Anhalt und den Süden Brandenburgs wieder sieben Rudel, insgesamt zumindest fünfzig Wölfe. Ist es eine Frage der Zeit, bis sich auch im Westen und Süden Deutschlands erste Rudel bilden, oder gibt es dort kein gutes Wolfsland?
Kennt man die Ansprüche eines Rudels an seinen Lebensraum, ist diese Frage zu beantworten. Wlodzimierz Jedrzejewski vom Säugetier-Institut der Polnischen Akademie der Wissenschaften im Bialowieza-Nationalpark hat genau diese Bedürfnisse der Wölfe in den letzten Jahren unter die Lupe genommen. Polnische Wölfe lieben demnach ausgedehnte Wälder, kommen aber auf Wiesen und in Sümpfen und Mooren ebenfalls gut zurecht. Äcker mögen sie dagegen gar nicht, und um größere Straßen oder gar Autobahnen machen sie einen großen Bogen. Auch Siedlungen sind ihnen suspekt.
Da die deutschen Wölfe aus Polen kamen, sollten die Resultate auf Deutschland übertragbar sein. Felix Knauer teilte Deutschland daher im Computermodell in viele kleine Quadrate ein, deren Seiten jeweils einen Kilometer lang sind. Für jede Fläche suchte das Programm den Anteil der Wälder, Wiesen und Feuchtgebiete, der Äcker und Siedlungen. Dann ermittelte es einen Wert zwischen "Null" und "Eins" für jeden Quadratkilometer. "Null"-Quadrate sind für Wölfe völlig ungeeignet, eine "Eins" kennzeichnet einen optimalen Wolfslebensraum.
Im Osten Polen siedeln sich Wölfe in allen Gebieten an, die zumindest die Kennzahl "0,3" haben. Da ein Rudel normalerweise ein Revier von etwa 200 Quadratkilometern beansprucht und isolierte Rudel durch Unglücksfälle leicht verschwinden können, sucht das Programm anschließend nach zusammenhängenden Flächen von mindestens 400 Quadratkilometern mit einer Mindestkennzahl von "0,3", auf der zwei Rudel leben könnten.
Ob sich tatsächlich ein paar hundert Wolfsrudel in Deutschland bilden können, hängt aber stark von anderen Randbedingungen ab. "So wurden seit 1990 bereits zwölf illegale Abschüsse von Wölfen in Deutschland nachgewiesen", erklärt Knauer. Zwar drohen den Jägern saftige Strafen von einigen tausend Euro, allein mit Geldbußen aber werden sich solche Abschüsse kaum verhindern lassen.
"Den Jägern muss zum Beispiel erklärt werden, dass die Wölfe Schalenwild kaum erwischen, wenn es fünfzig Meter vom Waldrand steht", meint Felix Knauer. Da Jäger Rotwild oder Damhirsche meist genau an solchen Waldrändern schießen, sollten die grauen Raubtiere den Menschen also kaum ihre Beute streitig machen.