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Viel Symbolik und noch mehr "Vorbehalte"

Von Hans Pechar

Gastkommentare
Hans Pechar ist Professor für Hochschulforschung an der Alpen-Adria Universität, Standort Wien.

Unmittelbar nach den Wahlen gab es die Hoffnung auf eine "große Koalition neu". Nun ist klar: Der Kurs des wechselseitigen Blockierens wird fortgesetzt.


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Es hätte auch schlimmer kommen können. Die ÖVP hätte die Wissenschaft zu Johanna Mikl-Leitner ins Innenressort verschieben können. Sollen wir uns darüber freuen, dass die Hochschulen nicht bei der niederösterreichischen Stahlhelmfraktion, sondern bei einem Vertreter des liberalen Flügels der ÖVP gelandet sind?

Die Symbolik dieser Regierungsbildung wurde schon so oft beklagt, dass es nicht wiederholt zu werden braucht. Aber Michael Spindelegger hat sich gerade aus symbolischen Gründen für Sophie Karmasin entschieden. Sie ist als Signal an Familien und Jugend gedacht. Der Vizekanzler will ein neues Gesicht, telegen und redegewandt, um die Regierungsarbeit besser verkaufen zu können. Die bildungsbürgerlichen Komponenten im symbolischen Repertoire der ÖVP sind weit nach hinten gerutscht.

Wichtiger als symbolische Botschaften sind die Inhalte des Regierungsprogramms. Unmittelbar nach den Wahlen gab es einen Augenblick lang die Hoffnung auf eine "große Koalition neu". Statt die jeweiligen Vorhaben des anderen zu verhindern, würde man - bei ideologischer Ausgeglichenheit - Reformarbeit ermöglichen. Bezogen auf den Bildungsbereich: Die SPÖ setzt überfällige Reformen im Schulbereich durch, die ÖVP erhält mehr Gestaltungsspielraum in der Hochschulpolitik.

Ohnehin hat die "Westachse" der ÖVP die Gesamtschulphobie abgelegt, und vielen Sozialdemokraten ist klar, dass sozial ausgewogene Studiengebühren die Hochschulexpansion nicht gefährden, sondern auf eine gesunde finanzielle Basis stellen würden. Nun ist klar: Der Kurs des wechselseitigen Blockierens wird fortgesetzt. Die Tabuthemen werden im Regierungsprogramm nicht einmal erwähnt.

Immerhin ist eine "Ausweitung der derzeitigen Kapazitätsregelung" angekündigt, ohne Reduktion der Studienplätze und bei gleichzeitiger Verbesserung der Betreuungsrelationen. Weitere hochschulpolitische Goodies sind der Ausbau der Fachhochschulen auf 50.000 Plätze oder die Erhöhung der Zahl der Laufbahnstellen für das wissenschaftliche Personal.

Das Kleingedruckte dazu findet sich am Ende des Regierungsprogramms, wo auf den "Finanzierungsvorbehalt" für alle Maßnahmen, die "in den Ausgabenobergrenzen des Bundesfinanzrahmens keine Deckung finden", hingewiesen wird. Diese Einschränkung trifft auf den Großteil der im Regierungsprogramm geplanten Maßnahmen für den Wissenschaftsbereich zu. Das Institut für Höhere Studien schätzt den für ihre Umsetzung erforderlichen Mehrbedarf auf 300 Millionen Euro pro Jahr.

Man wird Minister Reinhold Mitterlehner bei jeder Gelegenheit vorhalten, er betreibe als Mann der Wirtschaft die "Ökonomisierung" der Universitäten. Aber diese Kritik gab es auch in den vergangenen Jahren, als ein Altphilologe an der Spitze des Wissenschaftsressorts stand. Am Ende des Tags wird der neue Wissenschaftsminister daran gemessen werden, wie weit es ihm gelingt, die "Vorbehalte" gegen eine gesicherte Finanzierung der Hochschulen aus dem Weg zu räumen.